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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Otto, Karl Heinrich: Imitation und Surrogat
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https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0259

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IMITATION UND SURROGAT.

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VON KARL HEINRICH OTTO.



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Imitatron und Surrogat, Nachahmung und Ersaß,
sie sind immer noch lockend und Gewinn ver-
heißend, sie werden immer noch gesucht und
angewandt wie bereits vor tausenden von
Jahren. Unsere Ästhetiker sind Imitationen und
Surrogaten stets scharf zu Leibe gegangen.
Häufig mit Recht, aber sehr oft auch ohne jeg-
liche Berechtigung. Seitdem das Glas erfunden
ist, hat man versucht, Edelsteine nachzumachen;
seit bei uns die erste Tasse Kaffee getrunken
wurde, hat man nach Ersatzmitteln gesucht, seit
der Tabak seine Liebhaber fand, hat man nach
einem billigen Ersaßkraut gefahndet. Imitation
und Surrogat waren stets Bundesgenossen, die
eine wird oft von dem andern bedingt, und so
sehen wir sie häufig an einer Sache. — Wir tun
oft nicht klug daran, gegen Imitation und Surrogat
als sogenannte Unlauterkeiten und Minderwerte zu
Felde zu ziehen. Es kommt doch ganz darauf an,
ob sie immer die Absicht haben, uns zu hinter-
gehen, uns Schein und Täuschung für Wahrheit zu
bieten! Das ist nicht immer der Fall. Früher
haben kluge Hausfrauen auch die Baumwolle für
ein Surrogat gehalten, das Wolle und Leinen er-
sehen sollte. Und doch hat die Baumwolle wieder
ihre eigenen .Vorzüge, die Qualitätsfragen für
Wolle und Leinen stark beeinflussen; sie steht
ja völlig in der Mitte, unabhängig und selbständig
für sich, daß sie der beiden andern gar nicht
bedarf. — Imitationen und Surrogate werden
erst da und dann gefährlich, wenn sie absicht-
lich für Fälschung und Täuschung herangezogen
werden, also betrügerischen Absichten
dienen. An sich lägt sich aber Imitationen
sowenig wie Surrogaten die Berechtigung an-
gemessener Verwendung absprechen. Es scheint
mir geradezu töricht, zu sagen, man solle sich
ihrer gezwungenermaßen nur in Notfällen be-
dienen; denn es gibt auch Imitationen, denen
man keineswegs den Vorwurf machen darf, sie
sollten etwas anderes geben, als sie in Wirklich-
keit sind. Ich erinnere nur an die Stuckantrag-
technik, an die Technik des stucco lustro, an
bronzierten Gips und ähnliches, die uns doch
klar zeigen: welches Material sie bergen und
was sie demgemäß auch der Technik nach nur
sein können. Ich erachte jede Imitation und jedes
Surrogat für statthaft, die in uns keinen Zweifel

darüber lassen, was sie ihrem Wesen nach in
Wirklichkeit sind. Wie viele Ästhetiker haben
sich schon über bronzierte Gipsfiguren aufge-
regt. Aber weshalb muß man hier tadeln.
Eine bronzierte oder irgendwie getönte Figur
ist doch praktisch besser und ästhetisch wohl-
tuender, als eine sehr bald verschmußte weiße.
Hier liegt doch gar keine Täuschung vor; wer
würde denn glauben, hier auch nur an echte
Bronze zu denken! Auf der andern Seite aber:
wie viere Gelehrte und Kunstfreunde haben antike
Plastiken in guten Abgüssen in Mengen auf-
gestellt, die in naturgetreuer Auffärbung und
Patinierung möglichst den Originalen gleich
kommen sollen. Ich halte das für sehr verständig,
denn der Unterschied zwischen einem weißen
Gipsabguß und dem Original einer antiken Bronze
ist doch wie Tag und Nacht. Das gilt auch für
Marmorplastiken, alte Holzschnißereien, Majoliken
(von Robbia) die man in guten Kopien in den
Handel bringt. Sehr mit Recht, weil hier doch
tatsächlich die Imitation nur als gute Neben-
erscheinung der getreuen Wiederholung eines
wertvollen Originals an einem — allerdings —
wertlosen Surrogat auftritt. An eine Fälschung
würde hier vernünftigerweise niemand denken.

Geben wir ein Gegenbeispiel, das, lediglich
auf anderem technischen Vorgang beruhend, häufig
in der Nachahmung, in der Wiederholung die
Fälschung, den Betrug als Endabsicht hat: das
kopierte Bild, nach irgend einem großen Maler,
mit künstlichen Schäden und dem vollen Signum
des Originals. Hier wird kopiert, imitiert und
damit eben künstlich der Anschein des „Alters"
erweckt, also gefälscht. Wenn wir ein „goldenes"
Kirchturmkreuz oder einen „goldenen" Kirchturm-
knopf in der Sonne blinken sehen, so denken wir
keineswegs an einen Goldschmied; wir wissen
sehr wohl, daß hier gar keine Absicht auf
Täuschung besteht, denn das Kreuz ist aus
Schmiedeeisen und der Knopf ist aus Kupfer,
beide sind vergoldet worden aus Gründen der
Wirkung und der Witterung. Mit vielen kupfernen
Kelchen des Mittelalters, die nur vergoldet sind,
ist es ähnlich bestellt; Form und Technik verraten
das Kupfer; um den Grünspan fernzuhalten, hat
man es vergoldet. Kein Mensch denkt an Täuschung
oder gar an Betrug. Das Wort Imitation um-

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