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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Schmid, M.: Die Kranzspenden und der Sarg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0218

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Dr. M. Schmid—Aachen.

PROFESSOR BRUNO PAUL BERLIN.

Haus Westend. Blick in die Küche.

Ausf.: Ver. Werkst, für Kunst im Handwerk A.-G. — Berlin.

DIE KRANZSPENDEN UND DER SARG.

VON DR. M. SCHMID—AACHEN.

I

m Sinne des Verstorbenen bittet man von
Kranzspenden abzusehen." Damit ver-
wahrt sich das Feingefühl des gebildeten
Menschen gegen eine „alte" aber heute nicht
mehr „gute Sitte". Warum? Zunächst wohl
aus Bescheidenheit, weil aller Prunk am Grabe
dem Feinempfindenden widerlich erscheint.
Sodann, weil der alte Brauch zum Mißbrauch,
aus einer freiwilligen Ehrung eine lästige
Pflicht geworden ist, lästig dem Geber und
lästig dem Empfänger. Vor allem aber, weil
das verletzte ästhetische Gefühl dagegen pro-
testiert, besonders angesichts all der Ge-
schmacklosigkeiten, die bei einem modernen
Leichenbegängnis damit verknüpft sind. Vor-
über sind die Zeiten, da ein schlichter Sarg
mit wenigen Kränzen geschmückt wurde, um
den Winter des Todes durch Gedanken an
Frühling und Auferstehung zu bannen. Heute
müssen hinter jeder „besseren Leiche" meh-
rere Mietswagen voll Kränzen und Palmen

hinterdreinfahren. Die Blumenspende, einst
ein Zeichen liebevollen Gedenkens, ist heute
ein unerbittlicher Zwang, eine Protzerei und
eine völlig sinnlose Geldverschwendung ge-
worden. Die einzelnen Geber, vor allem die ein-
zelnen Vereine und Gesellschaften, suchen sich
durch die Größe der dem Verstorbenen gewid-
meten bunten „Wagenräder" und den frechen
Glanz goldbedruckter Schleifen zu überbieten.
Und welcher Anblick beim Eintritt in das
Trauergemach, wo diese Kränze sinnlos ge-
häuft liegen, wo zwischen den trauernd Hinter-
bliebenen Lohndiener sich hindurchdrängen,
um immer neue Tannenreiser und Lorbeer-
gewinde aufzuhäufen, oder vielmehr sie achtlos
hinzulegen, als sei ein Blumenladen zur Sub-
hastation gekommen und müßte schnell ge-
räumt werden. Flüchtig werden die Namen
der Spender genannt und von einer dazu be-
stimmten Person notiert, damit die Adresse
für die übliche gedruckte Danksagung nicht

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