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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Westheim, Paul: Der Volkswirtschaftler und die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0292
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Paul Westheim—Berlin:

DER VOLKSWIRTSCHAFTLER UND DIE KUNST.

VON PAUL WESTHEIM.

Junge Volkswirtschaftler, die von Hause aus
ästhetische Gefühle mitbringen, tummeln
sich heute gern auf den Grenzgebieten der
Kunst. Im Künstler haben sie eine Art besserer
Heimarbeiter entdeckt, und da es jetzt an der
Tagesordnung ist, den Heimarbeitern wirt-
schaftlich aufzuhelfen, soll auch das Kunst-
Proletariat nicht leer ausgehen.

Löbliche Absichten, denen man nur bei-
pflichten kann. Es ist ja tatsächlich besser, daß
der Künstler ein festes Bankkonto hat, als daß
er sich talerweise durchpumpen muß.

Aber es fragt sich, ob mit den schönen Zif-
fern der National-Ökonomen viel anzufangen
sein wird. Selbst als Ware betrachtet ist Kunst
schließlich doch eine andere Sache als Häringe,
obgleich es auch da schon auf den Zufall, auf
den guten oder schlechten Fang ankommt. Mit
Materialpreisen, Herstellungskosten,

Arbeitszeit undKonjunktur-Gewinn
istdanichtviel zu machen. Genialität
ist ein Imponderabile, ein unbekanntes
X, das mit der schönsten Logarithmentafel nicht
auszurechnen sein wird. Preis und Wert eines
Kunstwerkes sind mitunter so himmelweit von
einander verschieden, daß es einem an glatte
Verhältnisse gewöhnten Finanz - Theoretiker
angst und bange werden müßte. Eine Skizze,
die Liebermann in zwei Stunden hinsetzt, kann
mehr wert sein als das ganze Lebenswerk des
sehr fleißigen Malers Schulze oder Bildhauers
Müller. Als Feuerbach starb, wollte keiner für
seine Gemälde einen Pfifferling geben, und der
Kunsthändler verlangte von der Witwe für die
Aufbewahrung der großen Schinken Lagergeld.
Irgend ein anderer, der schöne Atelierfeste zu
arrangieren und vermögende Damen der Ge-
sellschaft zu karessieren versteht, kriegt die

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