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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Stiller, Richard: Majolika-Figuren von Bernhard Hoetger
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0313

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MAJOLIKA-FIGUREN VON BERNHARD HOETGER.

Das Verlangen, sich mit schönen Dingen zu
umgeben, die dazu beitragen, das all-
gemeine Wohlbefinden zu erhöhen, ist infolge
des bedeutenden Aufschwungs, den das Kunst-
gewerbe und mit ihm die Wohnungskunst im
letzten Jahrzehnt genommen haben, erheblich
gewachsen. Die Diele, die den Eintretenden
empfängt und zum Verweilen einladet, die
inneren Wohn- und Gesellschaftsräume, die
Bibliotheks- und Arbeitszimmer bis zu den
Schlafgemächern bieten mit Kaminen und
Nischen, mit ausladenden Gesimsen, eingebau-
ten Schränken und freien Möbeln unzählige Ge-
legenheiten , Anlässe und Notwendigkeiten
zur Aufstellung von schmückenden Gegenstän-
den. Stärker als vordem sind darum heute in
vielen Wohnungen die ästhetischen Bedürfnisse
nach plastischen Werken der Kleinkunst gewor-
den, die einen anderen künstlerischen Zweck
zu erfüllen haben, als Plastiken großen Stils
und wandschmückende Gemälde, sodaß sie
nicht wohl entbehrt werden können.

Außer Werken der Kleinplastik in Bronze
und Marmor, die ihren besonderen Platz im
Hause verlangen, dienen die keramischen Werke
mit ihren ganz anders gearteten Materialstilen
den vielfältigen Erfordernissen. Sie umschlie-
ßen in Porzellandarstellungen als Menschen-
und Tierfiguren bekanntlich zugleich eine Fülle
an malerischen Möglichkeiten und Ausdrucks-
formen, die eine lange ununterbrochene Ent-
wicklung hinter sich haben. Neben dem fein-
erdigen Porzellan, das der Beschaffenheit seiner

Masse nach zu zarteren Gebilden führt, ist in
neuerer Zeit in der Majolika wieder ein Material
belebt worden, in dem schon im 15. und 16.
Jahrhundert die berühmte Familie der Robbia
einen volkstümlichen Kunstzweig zu ungeahn-
ter Höhe und zur anmutigsten Blüte gebracht
hatte. Das gefügige Material lockt zu weicherer
Behandlung und mannigfacher plastischer Ge-
staltung, die eine Steigerung und Vertiefung
des künstlerischen Ausdrucks nach persön-
lichem Sinn in gleicher Weise gestattet.

Diese Möglichkeiten hat Professor Bernhard
Hoetger - Darmstadt in seinen Majolikafiguren
ganz eigenartig ausgenützt. Hoetger gehört zu
dem Kreise der jüngeren Künstler, die sich auf
der diesjährigen Ausstellung des Sonderbundes
in Köln zusammenfanden. Auch er erfuhr, wie
so viele Künstler der neuen Generation, Maler,
Bildhauer und Kunstgewerbler, starke Ein-
wirkungen und fruchtbare Anregungen aus ver-
gangenen Kunstabschnitten.

In diesen Majolika-Arbeiten berühren sich
die Ideen uralter und neuer Kunst vom alt-
attischen bis zum hohen Stil der klassischen
Antike, bis zur Renaissance und weiter hinauf
und andererseits gewisser orientalisch-buddhi-
stischer Kunstarten. Sie alle haben unter Hoet-
gers Hand und Auffassung eine persönliche
Umformung und ein ganz eignes, selbständiges
Leben erhalten. Indem er auch die richtigen
stilistischen Folgerungen aus der Natur des
Materials zog, schuf er Werke von teils ausge-
sprochen schöner, teils charakteristisch gestei-

1913. IV. 2.

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