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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Tierbilder und Tierplastiken von Emil Pottner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0444

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EMIL POTTNER - BERLIN

TIERBILDER UND TIERPLASTIKEN VON EMIL POTTNER.

Ein rechter Tiermaler muß von der Art des
heiligen Franziskus sein. Er muß mit den
Bären und Leuen wie ein Bruder gemeinsam
leben und muß mit dem tausendartigen Gevögel
Zwiesprach halten. Er darf nicht hoffärtig als
Mensch und Herr der Schöpfung auf die blöde
Kreatur herabblicken; er muß die Sorgen der
Hühner und die Träume der Truthähne, die
Schelmereien junger Ziegen und die großväter-
liche Selbstgefälligkeit der Kakadus zu verstehen
wissen. Und die Tiere müssen ihn verstehen,
müssen Zutrauen zu ihm haben, daß sie ohne
Scheu sich vor seinen Augen tummeln und ihm
ihre Leiden und Freuden nicht verbergen. Wir
wissen heute gut, daß es sehr unzulänglich ist,
die Tiere in der Gefangenschaft zu beobachten.
Darum zogen kecke Naturfreunde mit der Blitz-
lichtkamera in die Wildnis; sie beschlichen die
Gazellen an der Tränkquelle und lugten in das
Nest verliebter Zaunkönige. Die photographi-
schen Dokumente, die uns diese Episodenjäger
heimbrachten, waren meist von verblüffender
Groteske; man sah Entrenkungen der Glieder
und Zerrungen des Körpers, wie man sie für
unmöglich gehalten hätte. Die Tiere, von denen
man eine Vorstellung im Bewußtsein trug,
schienen einem fast fremd, und doch begriff
man, daß diese jähen Blitzbilder die nackte

Wahrheit zeigten. Es sieht eben die hoch-
empfindliche Platte durch die gläserne Linse
schneller und richtiger als das physiologische
Auge. Dies Auge aber sieht menschlicher, ge-
schlossener und in einem höheren Sinne wahr-
haftiger. Es sieht die Grotesken des Augen-
blicks als ausgeglichenen Extrakt; es sieht die
Summe der Bewegungen als Rhythmus und die
Harmonie der Momente als künstlerischen Aus-
druck. Darum eben ist der Künstler, der glück-
liche Besitzer eines köstlichen Auges, ein
größerer Wahrheitsbringer als der Blitzlicht-
photograph. Darum sind auch die Tiere, wie sie
Emil Pottner, sieht und mit nervösen Händen
gestaltet, solch eine letzte Konzentration pul-
senden Lebens und zugleich in all ihrer Miniatur
von statuarischer Größe.

Emil Pottner ist Maler und Plastiker. Seine
Bilder gehören der impressionistischen Gat-
tung an; sie sind von japanischem Tempe-
rament, aber um soviel schwerer an Materie,
als das Oel die Aquarellfarbe überwiegt. Eine
bläulich-violette Haut liegt über ihnen; durch
die Nervosität des einzelnen Strichs bekommen
sie etwas von dem Flattrigen, dem Huschen-
den, dem Girrenden des Federviehs. Der Enten
watschelnde Komik, der Hähne krähendes
Kämpfen, der Dindons sonore Pathetik, die

1919. XII. 5.
 
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