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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 33.1913-1914

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Georgi, Walter: Vom Ersten Deutschen Herbstsalon
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https://doi.org/10.11588/diglit.7011#0250

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Vom ersten deutschen Herbstsalon.

professor bruno paul - berlin.

»speisezimmer« sapeli-mahagoni blank poliert.

AUSF: VEREINIGTE WERKSTATTEN FÜR KUNST IM HANDWERK A.-G.

häufen, jene verständliche Richtung des Expressionis-
mus, die das Körperliche nur umbildet, um die er-
lebte Stimmung zu scharfen. Vortrefflich ist Kubin
u. a. der „Frost" gelungen, in dem die zu leblosen
Kristallen gewordenen Tannen starr vor Kälte
stehen. Franz Marc zeigt sich wie immer als
empfindsamen Lyriker, der die Tierseelen in seine
Bilder hineinschreibt. Die philosophische Ruhe der
Pferde, die erschütternde Unabänderlichkeit in den
„Tierschicksalen" und die wilde Gier in den ge-
streckten Rücken hungriger Wölfe weiß er in gleicher
Art vortrefflich zu vermitteln. Auch Kandinsky,
der sich nach seiner eignen Theorie gänzlich vom
Körperlichen abwendet und sich in Farbenmelodien
erschöpft, wirkt überzeugend durch die Ehrlichkeit
seiner Absichten und die erstaunlichen Farbenhar-
monien, von denen nicht selten eine dem Wesen der
Musik verwandte Wirkung ausgeht. In Karl
Menses „Flug mit Segelboten", August Mackes
Tanzbild „Nijinsky" und Lyonel Feiningers
„Radrennen" sind lebendige Bewegungsmotive von
anschaulicher Eindringlichkeit geschaffen worden,
während Stanislaus Stückgold durch ein in der
Koloristik eigenartiges, jedoch seelisch erlebtes Por-
trät eines jungen Mädchens eine nicht alltägliche

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künstlerische Befähigung nachweist. Wie ein echter
Künstler in die Natur eindringt, sie erlebt und seine
Erfahrungen ohne Absurdidäten verständlich zu ge-
ben weig, tut die dem Herbstsalon angegliederte
kleine „Henry Rousseau Gedächtnisausstel-
lung" kund. Rousseau treibt eine romantische
Sehnsucht nach dem innersten Wesen der Welt, das
er uns in seinen tropischen Märchen nicht minder
miterleben lägt wie in der glasigen Luft der Winter-
kälte oder in der „Liebe der Vögel".

Besonders mit Rücksicht auf das dargebotene
Wertvolle ist es bedauerlich, dag der Herbstsalon
nicht überall eine strenge Auswahl gegenüber un-
fertigen künstlerischen Experimenten getroffen hat.
Solche Versuche sollten die Ateliers der Künstler
niemals verlassen, sie schädigen durch ihre innere
und äugere Unausgeglichenheit eine ganze Bewe-
gung, die im Grunde doch eine ernsthafte Beach-
tung verdient. Wir serjen unsere Hoffnung auf
den nächstjährigen Herbstsalon, dem jeder, der die
modernsten Kunstbestrebungen mit Sympathie ver-
folgt, eine peinlichere Sichtung des auszustellen-
den Materials und somit wenigstens einen relativ
grögeren Reichtum an echten künstlerischen Lei-
stungen wünschen wird. . . . dr. walter georgi.
 
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