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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Friedmann, Ernst: Der Weg zur deutschen Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0118

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DER WEG ZUR DEUTSCHEN MODE.

VON ERNST FRIEDMANN.

Es war nicht verwunderlich, daß schon kurz
nach Ausbruch des Krieges bei all denen,
die daran interessiert sind — und wer wäre
das wohl nicht! — sich die Frage aufdrängte:
Was wird nun mit der Mode? Denn jederwußte,
daß die Mode seit fast drei Jahrhunderten als
unbeschränkte Herrscherin von Paris aus dik-
tiert wurde, und daß alle, wenn auch in der
letzten Zeit hier und da mit etwas Widerstreben,
ihre Macht anerkannten und ihren Geboten
folgten. Aber auf die sich hervordrängende
Frage stellte sich auch gleichzeitig die Ant-
wort ein, daß die Mode bei uns für die Folge
deutsch werden müßte. Nun dürfen wir aber
nicht verkennen, daß die mit der Mode zu-
sammenhängenden Dinge sich nicht so einfach
wandeln lassen, und daß man nicht, so gern
man es auch möchte und wünschte, sie nun-
mehr statt von Paris, von Berlin aus diktieren
kann. — Die Ursachen, warum die Mode bis-
her stets aus Paris kam, liegen viel zu tief und
sind auch viel zu berechtigt, als daß selbst ein
für uns siegreicher Krieg uns durchweg von ihr
und ihrer Alleinherrschaft befreien könnte. So
sehr dies erkannt und anerkannt werden muß,
so sehr ist aber andererseits auch das Streben
berechtigt, sich von der Sklaverei frei zu machen,
und unser Nationalstolz verlangt in diesen Zeiten
fast gebieterisch nach einer Mode deutschen
Ursprungs. Jetzt aber wird der Waffensieg uns
mehr denn je die günstige Gelegenheit bieten,
unsere Forderungen durchzuführen.

Aber wir müssen uns davor hüten, die bevor-
stehende Arbeit gering zu schätzen, und die
Erwägung, daß es uns doch gelungen ist, eine
gute deutsche Architektur, eine vorbildliche
deutsche Möbelkunst zu entwickeln, kann nicht
genügen, uns auch die Eroberung der Mode zu
garantieren. Wir müssen gegen uns selbst ob-
jektiv und kritisch genug sein, um uns und
unsere Wesensart zu erkennen und zu ver-
stehen. Da werden wir uns auch eingestehen
müssen, daß bei allen glänzenden Eigenschaften,
die uns Deutschen eigen sind, das Feminine,
das Leichte, Graziöse und Phantastische, ohne
das die Mode nun mal nicht denkbar ist, uns
nicht gerade im Blute liegt. Wir werden also
einer langen und tief gehenden Erziehung der
für dieses neue Gebiet geeigneten Menschen
bedürfen, um erfolgreich arbeiten zu können.

Von erster und ausschlaggebender Bedeu-
tung sind natürlich die Fabrikanten, von

denen es abhängen wird, ob sie in der Lage
sein werden, uns die Grundstoffe der für die Ver-
arbeitung in Betracht kommenden Materialien
zu schaffen, und zwar in einer Qualität, die bisher
nur zu oft Vorrecht des Auslandes war. Bisher
wurde eingewendet, daß der Fabrikation solcher
erstklassigen und daher oft teueren Stoffe und
Zutaten die geringe Nachfrage bei uns im Wege
stand, die es für die Fabrikanten nicht lohnend
genug erscheinen ließe, ihr Können und ihr
Geld darin anzulegen. Wenn sich unser Publi-
kum erst daran gewöhnt, Preise auch für Waren
deutscher Herkunft anzulegen, die es bisher
nur für Fremdes zu zahlen bereit war, wird
dieses Hindernis aus dem Wege geräumt sein.

Eine weitere Forderung ist die Stärkung und
Verbreitung der guten weiblichen Hand-
arbeit. Jeder, der in modische Betriebe Ein-
blick hat, weiß von den Schwierigkeiten zu er-
zählen, geschickte und flinke Handarbeiterinnen
zu finden, wie sie in der Heimarbeit in Frank-
reich im Überfluß vorhanden sind. Wie uns auf
dem ganzen Gebiete des Kunstgewerbes der
Sinn und die Wertschätzung für Handarbeit
nicht verloren gehen darf, so auch bei den Er-
zeugnissen der Mode. Den Volksschulen
bietet sich hier ein großer Wirkungskreis, eben-
so auch den einschlägigen Fachschulen und
sonstigen Anstalten, um uns einen Nachwuchs
heranzubilden, der befähigt ist, den neuen
großen Ansprüchen zu genügen. Es galt bisher
bei uns für junge Mädchen, die immer mehr
nach den Bürodiensten strebten, für nicht ganz
gleichwertig im Schneider- oder Nähfach zu
arbeiten, daher sind Handarbeiterinnen,
die etwas Besonderes zu leisten imstande sind,
bei uns im Vergleich zu Frankreich nur in ganz
geringer Anzahl vorhanden. Wir wissen sehr
wohl, daß sehr viele, die in Paris die Mode mit-
schaffen halfen, Deutsche oder Österreicher von
Geburt sind, und wenn es uns gelänge, diese,
die ja auch zum größten Teil inzwischen Paris
verlassen mußten, bei uns zu sammeln, um
ihnen hier ein neues Feld zu eröffnen, hätten
wir gleich die berufensten Mitarbeiter. Auch
unsere Kunstgewerbeschulen müßten da-
ran gehen, Klassen für Modellzeichnen einzu-
richten und den in der Praxis vorgebildeten
Kräften eine künstlerische Ausbildung bieten.
Der Konfektionär muß zum Künstler, und
der Künstler zum Konfektionär werden! Nur
aus der Durchdringung der beiden Elemente
 
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