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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Schutz dem Kunstbesitz in Feindesland
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0201

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SCHUTZ DEM KUNSTBESITZ IM FEINDESLAND.

In der Zeitschrift „Kunst und Künstler" wurde
ein Aufsatz von Emil Schäffer zur Erörte-
rung gestellt, der die Frage, ob — nachdem
Belgien von Deutschland militärisch besetzt —
hervorragende Kunstwerke, in erster Linie
solche deutschen Ursprungs, aus den dortigen
staatlichen und städtischen Sammlungen in die
großen deutschen Museen übergeführt werden
sollen, in bejahendem Sinne behandelte. Diese
Meinung Schäffers begegnet durchwegs einem
offenen und bestimmten Widerspruch von
maßgebenden Persönlichkeiten Deutschlands.
Obwohl wir die ganze Angelegenheit für ab-
solut unzeitgemäß halten, nehmen auch
wir hierzu Stellung, nachdem auch die großen
Tageszeitungen sich über die Frage äußerten.

»

Exzellenz BODE hat seinen ablehnenden Stand-
punkt bekannt gegeben. - FRANZ VON STUCK
schließt sich, wie er uns mitteilt, dessen Anschau-
ungen völlig an:

„Ich stehe in dieser Angelegenheit ganz auf
dem Standpunkt Bodes." franz v. stuck.

»

Geheimrat Prof. Dr. WILH. WUNDT-Leipzig
schreibt uns folgendes:

„Ihre Anfrage, ob hervorragende Gemälde aus
den städtischen und staatlichen Museen Belgiens in
die großen deutschen Museen übergeführt werden
sollen, beantworte ich aus zwei Gründen mit Nein:
erstens weil Belgien nicht nur im deutschen Besitj ist,
sondern auch in ihm bleiben soll, daß es aber
politisch völlig verkehrt wäre, ein deutsches Land
zu Gunsten anderer deutscher Länder zu berauben;
und zweitens, weil ich es überhaupt für unwürdig
einer zivilisierten Nation halte, Kunstgegenstände
besetzter oder eroberter Gebiete zu rauben. Wenn
Ihre Frage daher dahin gelautet hätte, ob wir die
dereinst von Napoleon I. aus Deutschland geraubten
zum Teil noch im Louvre befindlichen Kunstwerke
wieder nach Deutschland zurückführen sollen, so
würde ich diese Frage ebenso unbedingt mit J a
beantwortet haben. Denn so unberechtigt der Raub
ist, so berechtigt ist es, wenn der Beraubte das,
was ihm genommen wurde, wieder zurücknimmt,
sobald er die Macht dazu hat." w. wündt.

»

Geh. Hofrat Prof. Dr. K. LAMPRECHT-Leipzig
erklärt u. a.:

„.... Von einem derartigen Raub kann unter
Deutschen, die noch heute ein entsprechend räube-
risches Vorgehen Napoleons aufs Bitterste empfinden,
niemals die Rede sein...." lamprecht.

Reichstags-Abgeordneter Dr. ERNST MÜLLER-
MEININGEN schreibt uns:

„Ich bin gegen jede solche Plünderungspolitik.
Art. 56 der „Landkriegsordnung" nach den Be-
schlüssen der 2. Haager Friedenskonferenz bestimmt,
daß „das Eigentum der der Kunst und der Wissen-
schaft gewidmeten Anstalten, auch wenn diese dem
Staate gehören, als Privateigentum zu behandeln
ist. Jede Beschlagnahme, jede absichtliche
Zerstörung oder Beschädigung von derartigen An-
lagen, von geschichtlichen Denkmälern oder von
Werken der Kunst und Wissenschaft ist unter-
sagt und soll geahndet werden".

So der klare Wortlaut! Wir beschweren uns
über den Völkerrechtsbruch unserer Feinde. Das
Recht dazu haben wir nur, wenn wir es selbst
achten. Das mag bisweilen für uns schwer, sogar
sehr schwer werden, wenn Frankreich sich am
Privateigentum, z. B. an den in Lyon ausgestellten
deutschen Kunstgewerbegegenständen usw. rechts-
widrig vergreift. Bei den Friedensbedingungen,
vor allem bei der Frage der Kriegsentschädigung
muß das alles berücksichtigt werden. Aber der
einfache Diebstahl, d. h. die jetjige „Überführung"
nach Deutschland muß unter allen Umständen auf
das entschiedenste abgelehnt werden.

Zu den rechtlichen Bedenken kommen noch er-
hebliche künstlerische. Es hat oft etwas sehr
Schlimmes, solche Werke, zumal bodenständige,
aus ihrer Umgebung zu reißen. Sie leiden da-
runter. — Was später, d. h. nach dem Friedens-
schlüsse geschehen soll, — die Beantwortung dieser
Frage kann ruhig verschoben werden. Wer weiß
denn heute schon, wie die deutschen Grenzen, vor
allem gegen Belgien, einstmals laufen?

Jedenfalls wollen wir unsere Hände
sauber halten!" müller-mkiningen.


Prof. Dr. FRANZ VON LISZT urteilt:
„Belgien ist von Deutschland »militärisch be-
setjt«; Wegnahme der Gemälde, die nach wie vor
belgisches Eigentum sind, wäre daher ein schweres
Unrecht...." franz von liszt.

i »

Exzellenz Wirkl. Geheimer Rat HANS THOMA-
Karlsruhe schreibt uns:

„Es ist eine heikle Frage, die Sie mir vorlegen,
ob man aus einem in den Besirj des Siegers über-
gegangenen Lande - also hier Belgien — hervor-
ragende Kunstwerke aus den staatlichen und städ-
tischen Museen in die deutschen Museen über-
nehmen solle — und ich setje hier etwas bescheiden
hinzu — auch dürfe. Eine Frage, die um so ver-

1914/15. ii. 8

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