Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

DOI Artikel:
Jaumann, Anton: Deutsche Wohnkultur, deutsche Raumkunst: zu den Arbeiten von Eduard Pfeiffer
DOI Artikel:
Lüthgen, Eugen: Das Kunstgewerbe und der Krieg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0063

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Kunstgewerbe und der Krieg.

Der wuchernde Reichtum seiner Phantasie
macht sich nie aufdringlich bemerkbar. Man
kann mit Entzücken bei den erfindungsreichen
Schnitzereien verweilen, aber sie ordnen sich
stets in das große Ganze ein, sie schweigen,
wenn man sie nicht anredet, sie treten zurück,
wenn man sich nicht direkt mit ihnen beschäf-
tigt. Wenig Aufdringlichkeit, aber tiefer Gehalt,
das ist die Menschenart, die wir am liebsten
in unserer Gesellschaft sehen. Auch diese
Schmuckformen erschöpfen sich nicht in eitel
Schönrednerei, es lohnt sich schon, sich mit
ihnen näher zu beschäftigen. Sie sind mehr als
„Flächenaufteilung". In liebevoller Kleinarbeit
hat der Künstler eine Unmenge von Gedanken
und Erfindungen in diese Motive hinein geheim-
nist, die er nach Art alter Handschriften wie
Miniaturen in den Text verstreut hat. Die
Zierlichkeit feinster Profile stört nicht, da sie
mit Kraft und sicherer Konstruktion gepaart

ist, die lauten Farben sind nie gehäuft, stets
sind es nur einzelne Leuchtpunkte, die sich
vom stumpferen Grunde abheben. Wenn ein-
mal die Vertikalen über die Notwendigkeit
hinaus verstärkt sind, so findet sich stets eine
Horizontale, die ihre Härte hemmt und ins
Spielerische überführt. Die schnittigen Geraden
verletzen nicht. Ein feiner menschlicher Zug
verbindet die Gegensätze und macht sie gesell-
schaftsfähig. Es ist aber eine deutsche Gesell-
schaft, keine lächelnde Glätte und hohle Phrase.
Diese gesellschaftliche Form ist mehr als Form,
sie ist eine Vereinigung und ein Ausgleich in-
nerer Werte. Andere Künstler mögen andere
Synthesen finden. Pfeiffers persönliche Misch-
ung von Strenge und Zierlichkeit, Schwere und
leichtem Spiel, Gebrauchstüchtigkeit und ver-
träumter Laune gibt unbedingt einen vorzüg-
lichen Rahmen zu häuslicher Kultur, zu häus-
licher Kultur in deutscher Prägung, a. jaumann.

DAS KUNSTGEWERBE UND DER KRIEG.

von dr. g. e. lüthgen— köln.

Gerechte Besinnung auf sich selbst, wie
selten sie auch sei, bedeutet, sofern sie
echt ist, das Vorspiel einer innern Wandlung.
Ergreift diese Selbstbesinnung ein ganzes Volk,
dann strömen in wirrem Durcheinander alle
Arten von Selbstentäußerungen hervor, die,
scheinbar willkürlich und ziellos, das Ergebnis
irgend einer Laune sein könnten. Und doch
lebt in allem ein Wille, ein Geist, der in Wahr-
heit Ursache und einziger Grund dieser Wand-
lung ist. — Diese Fähigkeiten innerer Wandlung
hat die Weltgeschichte niemals in gewaltigerer
Größe gezeigt als jetzt. Das deutsche Volk hat
es gezeigt. Das Entlegenste und Nähste, das
Größte und Geringste, alles wurde Handhabe
und Mittel eines alle Maße übersteigenden
Opfersinnes. Jeder Wert einer Sache, ihr Ge-
halt, ihre Form wurde einer Prüfung unterzogen.
Gedanke und Auge stellten sich auf die neue
Weltlage ein. Die Lösung aller früheren Be-
ziehungen, fast kann man sagen zu allen Kultur-
völkern nichtdeutscher Rasse, bewirkte eine
Sammlung und Stärkung deutschen Wesens,
wie sie vordem die zielsichere Arbeit von Jahr-
zehnten nicht auf geringfügigsten Gebieten zu
gestalten vermochte.

Wenn man einmal alles Große, das die Opfer-
bereitschaft der Zeit schuf, außer Acht läßt, so
erstaunt man vor der Fülle wunderlicher Stre-
bungen, die jetzt hier, jetzt da frei werden,
und die alle von dem einen Gefühl, Fremd-
ländisches auszustoßen, getragen sind. Da

waren zuerst die französischen und englischen
Bezeichnungen von Gasthöfen, von Luxuswaren,
von Gebrauchsgegenständen aller Art, gegen
die sich der Volkswille in nicht mißzuverstehen-
der Art wandte. Was alle Vernunftgründe
früherer Zeit, was alles Erziehen und Predigen
nicht vermocht hatte, der Zorn über die Hinter-
list des vorbedachten englischen Überfalls ver-
mochte es in wenigen Stunden. Man kann
sagen über Nacht verwandelte sich das Bild
unserer Straßen. In den Schaufenstern wich
das bunte Vielerlei der Farben dem bevor-
zugten Dreiklang der Landesfarbe, die großen
Schilder mit den so oft als unentbehrlich ge-
priesenen Fremdwörtern, den „Modes", „Gen-
telman", „Picadilly" wurden verhängt und
tausend Kleinigkeiten wurden infolge der Selbst-
besinnung auf die deutsche Macht der unerbitt-
lichen volkstümlichen Läuterung unterworfen.

Der langwierige Kampf gegen die Fremd-
tümelei, gegen Fremdwörter, gegen die Pariser
und Londoner Mode erhielt endlich die tat-
sächlichen Grundlagen eines durchgreifenden
Erfolges. Daß dieser aus dem Gefühl hervor-
sprudelnde Kampf nicht immer gute Ergebnisse,
reife Lösungen zeitigte, ist verständlich. So
gibt das Streben der Vermeidung von Fremd-
wörtern naturgemäß nicht sofort die Fähigkeit,
einen guten deutschen Stil zu schreiben. Die
Abstumpfung des Sprachgefühls ist eben durch
die mißbräuchliche Übernahme fremdsprach-
licher Wort- und Satzbildungen, soweit vor-
 
Annotationen