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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Weichardt, Carl: Die Erziehung zur Kunst nach dem Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0222

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PROFESSOR FRANZ SEECK—BERLIN. LANDHAUS HAUPTNER. »WOHNZIMMER«

DIE ERZIEHUNG ZUR KUNST NACH DEM KRIEGE.

VON DR. CARL WEICH AR DT—LEIPZIG,

Bedarf das deutsche Volk noch einer Er-
ziehung zur Kunst? In einer Zeit vulka-
nisch tiefer Umwälzungen, da alle Bestrebungen,
alle Werte eine letzte Prüfung auf ihre Daseins-
berechtigung, ihre Echtheit zu bestehen haben,
muß auch diese Frage gestellt werden. Kunst-
erziehung ist Kulturerziehung; wird es aber etwa
nicht fortan wie aufdringliche Schulmeisterei
anmuten, ein Volk noch zur Kultur erziehen zu
wollen, das die ungeheuerste Feuerprobe auf
seine Kultur, seine Gesundheit und seine gei-
stige Schwungkraft so bestanden hat und tag-
täglich weiter besteht, wie das deutsche? Es
gibt keine Worte, gewaltig genug, um auszu-
drücken, was Deutschland seit den Sommer-
tagen des Schicksalsjahres 1914 geleistet hat.
Dieses Volk, das gegen seine Feinde sieghaft
nach innen wie nach außen unerschöpfliche
Kräfte entfaltet, das reinen Sinnes Heldentaten
vollbringt, die mit ihrer Größe schon im Augen-
blick, da sie Ereignis werden, ins Reich des
Mythos hinaufwachsen, verlangt vielleicht nur

zu Einem noch erzogen zu werden: zur immer
tieferen Erkenntnis und festeren Beherrschung
des Spiels der weltpolitischen Kräfte. Man
kann die Annahme nicht ohne weiteres von der
Hand weisen, daß vor dieser großen Aufgabe
der „Politisierung" der Deutschen die Kunst-
erziehung künftig möglicherweise recht beschei-
den in den Hintergrund wird treten müssen.

Sie ist für einen Teil unseres Volkes viel-
leicht wirklich überflüssig geworden. Alle, die
da draußen dem Feinde, der Natur, dem Tode
ins Auge gesehen haben, sie werden mit einer
inneren Reife zurückkehren, vor der nichts
Schlechtes und Schales, Schiefes und Schwäch-
liches mehr bestehen kann. Man werde die
Helden dieses Krieges an ihrem Schweigen er-
kennen , hat einer aus dem Felde geschrieben;
Schweigen aber bedeutet Reife. Vor diesem
Schweigen wird auch die laute Absichtlichkeit
jeder unechten Kunst verstummen und in nichts
zergehen müssen; diese Helden werden nicht
erst ästhetischer Erziehung bedürfen, um alles

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