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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Hinkel, Gottfried: Adolf Hengelers Kriegs-Tagebücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0239

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»michel und seine nachbarn« tagebuch-skizzen von prof. a. hengeler.

ADOLF HENGELERS KRIEGS-TAGEBÜCHER.

Der Illustrator Hengeler ist allen Deutschen
eine geläufige Erscheinung. Haben doch
seit 1884 die „Fliegenden Blätter" allwöchent-
lich Dokumente seines zeichnerischen Humors
ins Land hinausgetragen. Die Illustration stand
sogar jahrzehntelang, bis 1900, im Vorder-
grunde seiner künstlerischen Tätigkeit. Und
selbst in seiner Malerei verleugnet sich nicht
der Trieb, zu erzählen, sich mit menschlich-
subjektivemWorte an den Beschauer zu wenden.
Kein Wunder, daß diese kräftig sanguinische
Persönlichkeit auch zu dem großen Kriege ihr
Wort sprechen mußte. Ganz persönlich und
plauderhaft sind diese Blätter. Nicht etwa Kari-
katuren! Es fehlt ihnen, so echte Entrüstung
sie auch manchmal eingegeben hat, doch durch-
aus an Gift, an ätzender Bosheit. Sie sind ge-
nau das, was der Titel sagt: Blätter „Aus einem
Tagebuch 1914". Nicht lange auf Wirkung und
Komposition durchgearbeitet, sondern gute,
bildhafte Einfälle, wie man sie in einem sar-
kastisch bewegten Gespräch unter guten Freun-
den hervorbringen mag. Angeregt, munter,
Wltzig- mutwillig sogar ist die Stimmung. In der

Zeichnung, die besonders das Einzelne keck
und sinnlich ausdrückt, spürt man kundiges
Handgelenk und derbes Temperament. Ent-
scheidend ist der stets reinrassig illustrative,
treffend bildmäßige Einfall, der jedem Blatte
zugrunde liegt. Als Grundzug der ganzen Reihe
bemerkt man die Auffassung vom Deutschen
als dem wackeren, gutmütigen, arbeit- und ge-
nügsamen Deutschen Michel, der auf Gottes
weiter Welt nichts begehrt, als ungestört seinen
Kohl bauen zu dürfen (und nicht nur Kohl! man
sieht auch feines Spalierobst und schöne Blumen
in seinem Garten). Aber der Hahn vom Westen,
höchst lächerlich in seinem Grimm, die ekle
britische Seeschlange und der trotz aller Bosheit
so gutmütig gesehene Bär, sie kollern, zischen
und brummen. Michel steht mit der Kanne in
der Hand, auf's höchste überrascht. Aber gleich
wird er in die Fäuste spucken. Keine spätere
Fälschung wird verfangen: So und nicht anders
hat das deutsche Volk den Überfall empfunden.
Und hatte doch noch Humor genug, Seelengröße
genug, um so innerlich frei und unbeschwert der
rasenden Kriegsfurie zu lachen, gottfr. hinkel.
 
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