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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Michel, Wilhelm: Die Kunst und der Tod
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0285

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DIE KUNST UND DER TOD.

Jedes Kunstwerk spricht mit großer Bestimmt-
heit von einer Welt, die keine Wertvernich-
tung durch Tod kennt. Die Tatsache, daß wir
Menschen mit einem unvermuteten Aufhören
unserer Existenz rechnen müssen, übt eine wert-
störende Wirkung aus. Das Kunstwerk aber
kommt aus einer Welt, in der die Werte nicht
unter dem Drucke einer Fragwürdigkeit stehen.
Man muß nur inwendig genau auf das Wort
hören, das die Kunst spricht, so spürt man:
sie ist völlig frei vom Tode. Sie weiß nichts
von ihm. Ein Lied von Mozart, ein Drama von

Shakespeare, ein Gedicht von Goethe, ein Ge-
mälde von Mathias Grünewald — sie alle wider-
legen den Tod. Sie widerlegen ihn so, daß sie
zu fühlen geben: in einer Welt, in der wir
sind, ist für den Tod kein Platz. Er hat neben
ihnen keinen Sinn. Kunst und Tod schließen
einander aus. Dies ist eine unmittelbare Tat-
sache der inneren Empfindung.

Es bedarf kaum des Hinweises, daß dies alles
gilt von der Gefühlswelt des einzelnen Men-
schen, nicht etwa in empirischer Realität. Es
gilt in der Weise, daß der Mensch, sobald er

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