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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Breuer, Robert: Zu einigen Bildern der Mai-Ausstellung, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0316

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Mai-Ausstellung-Berlin.

MALER ERNST ALTMANN t

GEMÄLDE »STRANDLANDSCHAFT«

sie, wir vermögen sie aber nicht zu deuten. Es
bleibt jedenfalls kurios, daß die lang verpönte
Seele wieder gedichtet und gemalt worden ist,
als sie just im Haushalt der Menschheit neu
gebraucht wurde. Die Freunde von Rätseln
mögen, wenn es ihnen Spaß macht, schon heute
solche Aufgabe der Methaphysiker von 3000
zu lösen versuchen; wir harmloseren Gemüter
begnügen uns damit festzustellen, daß aller-
dings um 1915 herum in der Malerei einige
Pathetiker sich wieder bemerkbar machen.
Einige Leute, die es lieben, bei Bildnissen, die
sie malen, demPorträtiertenkrampfhaftgepreßte
Hände, aufwärts erhobene Augen, geistum-
spielte Stirnen, Feueraugen, Gottesliefe zu
geben. Leute, denen jede Landschaft zu einer
Szene, die Ebene zum Symbol des Schweigens,
das Meer zu einer Offenbarung von Urkräften
wird. Sie sehen die Wolken an dem Himmel
entlang fliegen und glauben allerlei gute Geister-
melodien flüstern zu hören; der Monddunst
scheint ihnen ein einziges Musizieren zu sein,

und der Sturm dünkt ihnen direkt aus dem
Himmel auf die Erde zu stürzen. Es gibt solche
Leute. Einige von ihnen hatten ihre Werke
zusammengetragen und zeigten sie unter der
blauen Flagge der Mai-Ausstellung. Es waren
Berliner; das verstärkt das Seltsame der Er-
scheinung: die Vettern des Schusterjungen-
witzes sind unter die Propheten gegangen.

Das Pathos hat immer seine Gefahr; wer auf
dem Seil tanzt, kann leicht abstürzen. Die
Sache wird noch gefährlicher, wenn die Pathe-
tiker gleich scharenweise auftreten. Es kann
dann vorkommen, daß sie einander sehr ähneln,
und daß die Tiefe ihrer Absicht als forcierte
Pantomime und ihr heiliger Eifer als mangel-
hafte Selbsterkenntnis wirken. Man sieht: wir
sind gegen die Pathetiker sehr vorsichtig und
folgen nicht ohne weiteres ihren Schalmeien.
Trotzdem möchten wir wohl sagen, daß die
Mai-Leute einige recht erfreuliche Arbeiten zu
zeigen hatten. Keine ungeheuerlichen Offen-
barungen, vielleicht nichts was tausend Jahre

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