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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Breuer, Robert: Max Slevogt, Berlin: zur III. Ausstellung deutscher Meister bei Fritz Gurlitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0432

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Max Slevogt—Berlin.

Solcher Befund entspricht dem Entwicklungs-
gang der beiden Künstler. Liebermann kommt
aus der strengen Schule der preußischen Wirk-
lichkeitsmalerei und aus dem Atelier von Steff-
eck, der Menzel einen Karikaturisten schalt.
Slevogt dagegen begann in München unter
dem Ideal einer theatralischen Dekoration.

In der Gurlitt-Ausstellung hing der „Toten-
tanz" vom Jahre 1896. Es ist offenbar, daß
diese viel zu groß geratene Illustration zwar
allerlei Temperament ahnen läßt, aber doch
kaum andeutet, daß der Regisseur dieses leben-
den Bildes zur Malerei erwachen würde. Die
„Scheherezade" und das Selbstporträt vor der
Staffelei, auf der ein orientalischer Akt steht,
gehören zu dieser Klasse der komponierenden
Dekoration. Das Triptychon von dem „Ver-
lorenen Sohn" kennzeichnet einen Übergang.
Zwar zeigen die drei Szenen noch viel Kostüm-
und Kulissenmalerei, noch viel münchnerisches
Arrangement; aber es rekelt sich in den Gri-
massen der Charakterspieler auch schon die
Witterung von dem einstigen Neudichter des
Lederstrumpfs.

Dieser ist es, der uns unwiderstehlich fort-
reißt. Die Lithographien zum Cooper, zum
Cellini, zum Dichter aus dem Morgenlande
machen Slevogt unsterblich. Erst fabulierend
wird er wirklich produktiv. Je weniger er ge-

zwungen ist, an irgend einer Tatsächlichkeit zu
haften, desto reicher fließen ihm die Figuren
aus einem strotzenden und trächtig quirlenden
Besitz an Vorstellungen. Slevogt braucht den
Krater der Phantastik, um, jedes Abenteuer
wagend, die wildesten Geschichten, die das
Blut rauscht, in schillernden, bunt kochenden
Blasen an die Oberfläche zu treiben. Ein neuer
Daumier; freilich ohne dessen liebeschwangere
Weltanschauung, ohne dessen trollhafte Mystik,
ohne dessen revolutionären Trotz. Auch ma-
lend ist Slevogt ein Ureigner und Unnachahm-
licher nur, wenn er Marionetten spielen läßt.
Ein Nachfolger (ein Modernisierer) jener Go-
tiker, die in das Gerank klirrender Erzählungen
funkelnde Miniaturen fügten. Das Funkelnde,
das edelsteinartige Aufleuchten von Farbflüssen
ist dabei das Entscheidende. Diese klein-
formatigen , von Blitzen überzuckten Tafeln
Slevogts — ein Hengst, der pechschwarz auf-
steigt und die kupfrig durchflammte Nacht mit
den Beinen schlägt; ein Don Quichote, der als
vogelscheuchige Hieroglyphe im weißen Brand
der Sonne verglitzert; ein salamandriges Ge-
knäul girrender Frauenleiber im Glutentaumel
der tausendundeinen Nächte — sie sind ein
unvergleichlich schönes Feuerwerk, ein Feuer-
werk, wie niemand sonst es von uns abzu-
brennen vermag........

ROBERT BREUER.

MAX SLEVOGT-BERLIN. » SCHLAFENDES HÜNDCHEN« 1910. VERLAG B. CASSIRER - BERLIN.
 
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