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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Dekorative oder konstruktive Gestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0436

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WEISSER
TÜLLHUT
M[T WEISSEN
ROSEN UND
SCHWARZEM
SAMTBAND.

AUS DEM WERK DER »SOMMERHUT 19t >« DES VERBANDS ZUR FÖRDERUNG DER DEUTSCHEN HUTMODE E.V. BERLIN.

DEKORATIVE ODER KONSTRUKTIVE GESTALTUNG.

Das Thema „Frau und Qualität" behandelte
letzthin W. Th. Wirz-Zürich in der Zeit-
schrift „Wohlfahrt undWirtschaft", Verlag Eugen
Diederichs-Jena. Verfasser nimmt die Unter-
scheidung in „dekorativen" und „konstruk-
tiven" Geschmack als Grundlage seiner Aus-
führungen. „Es sind die zwei Psychologien
angewandter Kunst, die es gibt: sie
unterscheiden die Menschen in solche,
die ein Schmuckbedürfnis, ein äußeres
Ideal des Reichtums haben, und solche,
die das Organ für Funktion besitzen,
für die innere Konstruktion der Dinge
und das Herausbringen der Anatomie."
(Oscar Bie.) Auf der einen Seite steht die
gefällige Erscheinung, auf der anderen die
Tektonik, die werkmäßige Durchrechnung,
die wesenstreue Gestaltung. Tiefer gefaßt, steht
das Gefühl dem Intellekt, die Weichheit der
Strenge gegenüber. Dieser verschiedenen ge-
schmacklichen Einstellung entwächst eine un-
gleiche Wertung der Farbe gegenüber der Form.
Der auf Sinnenfälligkeit gerichtete dekorative

Geschmack wird sich mehr an die Farbe, das
sinnliche Moment, anlehnen, während die
Freude an der Form, die Gleichen-Ruß wurm
„innig verwandt mit dem höchsten Ausdruck
geistigen Könnens" nennt, ein Kind verstandes-
mäßiger Erfassung der Dinge, der Einfühlung
in ihre Struktur sein wird. Wieder lassen sich
Spieltrieb und zweckhafte Durchbildung kon-
trastieren. Malerischer Geschmack urteilt sicher
in Fällen der Farbenwahl; aber wo es auf Er-
kenntnis der dem Material entwachsenen, dem
Gebrauchszweck restlos angepaßten Gestaltung
eines Gegenstandes ankommt, versagt er. Ge-
rade die heute so nachdrücklich geforderte
innige Verwobenheit von Werkstoff, Zweck und
Form entgleitet ihm. Darum auch kann es ihm
leicht geschehen, daß die äußere Erscheinung
selbstherrliches Wesen annimmt, daß sie sich
loslöst von der Rücksicht auf Ausdruckswahr-
heit. Welche Irrgänge der Nutzkünste auf eine
solche veräußerlichte Einstellung des Ge-
schmacks zurückgehen, ist bekannt. Wir glauben
nunmehr den dekorativen Geschmack als
 
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