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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Raphael, Max: Die Idee des Schöpferischen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0322

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DIE IDEE DES SCHÖPFERISCHEN.

Unser Verhalten zur Außenwelt und zu uns
selbst hat etwas Festes und Starres, das
— durch unser praktisches Bedürfnis bedingt —
in Zufall und Sinnlichkeit beharrt. Das tägliche
Leben packt jedes Ding wie etwas Fertiges und
Totes, gleich als ob es, da es nur Mittel zum
Zweck ist, von sich aus keinen organischen
Widerstand leisten kann. Und doch wissen wir
seit Kant, daß wir nie die Dinge an sich greifen,
sondern nur die Erscheinungen, welche unsere
Sinnlichkeit, die Kategorien unseres Verstan-
des konstituieren. Wir schaffen erst den Gegen-
stand durch einen Akt unseres Geistes. Aber
wie automatisch, wie fragmentarisch! Von allen
Organen, mit denen wir die Welt wahrnehmen,
von allen Geisteskategorien, mit denen wir sie
verknüpfen können, gebrauchen wir nur so
viel, als zur Orientierung, zur Benützung nötig
ist. Das Werden der Gegenstände, der Perso-
nen, des eigenen Ichs bleibt unbeachtet, bis es
sich in Zustände verfestigt, die praktische Be-
deutung gewinnen. Von der ununterbrochenen
Bewegung des kosmischen Lebens sind die

kümmerlichen Begriffe der Jahreszeiten übrig
geblieben; der stetige Wandel des menschlichen
Lebens stellt sich als Kind, Jüngling, Mann und
Greis dar. Das volle Sich-ausleben des gei-
stigen Prozesses im Bewußtsein des Menschen
würde das tätige Leben, die Befriedigung der
Bedürfnisse unterbinden.

Die Würde des Menschen, die ihn die Kette,
an die er als Naturwesen gebunden ist, ab-
schütteln läßt, hängt an seiner Fähigkeit, die
primitiven Vorstellungsgebilde der Wirklichkeit
von allen praktischen Bedürfnissen zu sondern,
diese Spiegelbilder aus der kinematographi-
schen, willkürlichen Aufeinanderfolge zu be-
freien, ihnen Selbständigkeit und Gesetz zu
geben. Um diesen Weg von dem zufällig auf-
tauchenden und verschwindenden embryonalen
Vorstellungselement zu einer sich selbst ge-
nügenden und notwendigen Welt des Sollens
zurückzulegen, muß die Welt der Erscheinungen
im Geist des Menschen in eine Bewegung ver-
setzt werden, die in mehr als einem Punkte der
siderischen zu vergleichen wäre. Der naive
 
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