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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Edschmid, Kasimir: Grotesk-Puppen von Erna Pinner
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0368

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ERNA PI NN ER-
FRANKFURT M.
»GROTESK-
PUPPE«

GROTESK-PUPPEN VON ERNA PINNER.

Es hat keinen Sinn, erst daraufhinzuweisen,
t daß diese Arbeiten keineswegs die sehr
künstlerische morbide Geistigkeit von Puppen
der Lotte Pritzel erstreben, die ihre Art des
Seins erst in der Vitrine erhalten und eher aus
Stoffen und Wachs errichteten Plastiken
eines unsäglich verfeinerten neueren Barocks
gleichen. Die Puppen der Erna Pinner —
gleichweit entfernt des weiteren von den Ent-
würfen der Kruse, die für kindliche Vorstel-
lung den Geschmack eines künstlerischen For-
mats liefert, weiter nichts — diese Puppen
haben einen anderen Sinn. Denn sie haben
jenen grotesken Unterton, der sie, die Nach-
bildungen der Natur sind , dennoch über sie
hinaushebt. Sie sind in der eigentlichsten und
ersten Bedeutung Puppen und haben doch ein
inneres Lächeln über sich selbst. Sie scheinen
weiter nichts als Menschliches darzustellen und
widersprechen sich doch. In irgend einer Form
scheinen sie Synthesen aus dem Geistigen der
Pritzel und dem Formal-Massiven der Kruse.

Sie sind kurz Puppen, also Dinge für die Hand
zum Zerstreuen, Kneten, Arrangieren, die man
liebt, zerstört und verwirft, Dinge aus Material,
aus Stoff ganz und gar, Dinge einfach zum
Spielen, aber unter der Hand erhält dies all
schon seinen Widersinn. Aus dem spielerischen
Gegenstand wird eine Sache, die mit uns spielt.
So ist ihre Bestimmung nicht wie bei Lotte
Pritzel ein Erlesenes für Connaisseure, nicht
andrerseits eingeschmackvoll errichteter Gegen-
stand für Kinder, es wird hier mit Menschen
gerechnet, die die beängstigende Atmosphäre
des widersprechenden Seins im Bilde sehen
können. — Das technische Geheimnis grotesker
Wirkung dieser Puppen liegt im Unverhältnis
von Körper und Gesicht. Über sehr langen,
stilistisch wohl erzogenen grazilen Gliedern
stehen Köpfe, einfach aus Stoff gebildet und
schematisch mit Zügen übermalt, fast alle gleich
in der Form. So haben sie eine neutrale Ge-
fühllosigkeit, die den raschen Wechsel sehr
bewegter Körperlichkeit stereotypisch über-
 
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