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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Stahl, Fritz: Fritz Klimsch, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0050

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Fritz Klinisch-Berlin.

Gerade das Gefühl für die Frau ist für
Klimschs Wesen sehr bezeichnend. Es ist eine
Gabe, die bei deutschen Künstlern sehr, sehr
selten ist. Man muß sich nur einmal besinnen.
Im Leben findet man doch oft ein feines Hand-
gelenk, einen zarten Halsansatz, ein reizvolles
Ruhen oder Schreiten. Aber in den Damen-
porträts unserer Ausstellungen so gut wie nie.
Es ist als ob die Künstler es garnicht fühlten,
am wenigsten die berufsmäßigen Bildnismaler,
die eine sogenannte schmeichelnde kitschige
Hübschheit geben. Klimsch empfindet diese
Reize und fürchtet sich nicht vor dieser Empfin-
dung wie wohl sonst so mancher unserer guten
Künstler, denen noch das Kraftmeiertum des
Naturalismus in den Gliedern steckt, für den
die Schönheit erst bei der Häßlichkeit begann.
Vom Expressionismus, für den sie erst mit der
Niggerfratze beginnt, garnicht zu reden.

Und ebenso wenig wie vor der Schönheit im
Leben fürchtet er sich vor der Schönheit in der
Kunst, die ja noch mehr vervehmt ist, vor dieser
Schönheit, die aus der südlichen und antiken
Welt stammt und immer wieder auf die Völker
des Nordens gewirkt hat. Das zeigt die Art,
wie er Denkmalsaufgaben löst. Virchow soll
in Berlin verewigt werden. Er schien besonders
wenig geeignet für die realistische Porträtstatue,
die sich im 19. Jahrhundert und besonders in
seiner Spätzeit als das allein Mögliche durchge-
setzt hatte. So wählt Klimsch ein Symbol für
den entscheidenden Zug in dem Wesen des Ge-
lehrten und Volksmannes, der ihm das Kämp-
ferische ist: den heroischen Jüngling, der die
Hydra bezwingt. So hat er die Möglichkeit, eine
schöne und ausdrucksvolle Form hinzustellen.
Sie muß nicht antikisch sein. In eine Stadt von
altem deutschen Charakter würde das nicht
passen. Da schließt er sich, ohne Nachahmung,
an Brunnen und Zeichen an, wie sie dort zu
stehen pflegen und sich mit ihren Plätzen ver-
binden. All diese Formen sind über der trivi-
alen Einform, dem Ofensockel mit der ange-
klebtenFigur, vergessen worden. Klimsch schafft
wieder im alten Sinne, daß jedes Zeichen ein
einzelnes werde. Auf dem Knauf eines Brunnens
steht die Gruppe einer Mutter mit ihrem Knaben,
auf einem Stein, einer Art abgeschnittener Py-
ramide, die Figur eines sprengenden Reiters.
Das Auge soll überall eine bewegte schöne
Form finden mitten im Alltag der Straße.

Daß ihn diese Freude an der Schönheit nicht
von der Wahrheit fort verführt, nicht zu Schön-
tuerei, beweisen seine Porträtbüsten von Män-
nern. Ihre Schönheit ist Charakter. Auch an

dieser hat er sinnliche Freude. Vergleicht man
die Nervosität seines Liebermann mit der groß-
artigen Ruhe seines Hindenburg, so hat man in
einem Blick das Gefühl dafür, wie stark er
jedesmal den Eindruck eines Wesens nach-
empfindet, und wie diese Empfindung bis auf
das Tempo und die Art der Arbeit wirkt.

Klimsch gehört nicht zu den Künstlern, die
ihrer Kunst neue Bahnen brechen, zu diesen,
die immer so ganz vereinzelt waren, und die
jetzt plötzlich, wenn man der modischen Mei-
nung glaubt, in Massen auftreten sollen. Sein
großer Vorzug ist, daß er sich auch nie als
Bahnbrecher aufgespielt hat, nie versucht, mehr
zu scheinen, als er ist, was doch seinem großen
und gut gepflegten Talent gewiß nicht schwer
gefallen wäre. Wer den größten Schaden un-
seres Kunstlebens darin sieht, daß die meisten
Künstler sich recken und strecken und Genie
markieren, hat eine Vorliebe für die, die sich
ruhig in ihrem gewachsenen Maß darstellen und
nur Wert darauf legen, was sie lieben, in guter
Arbeit auszudrücken.

Klimsch hat eine leichte Hand. Aber er hat
auch ein starkes Gewissen, das ihn bisher von
den Gefahren dieser Begabung, der viele unter-
liegen, bewahrt hat. Er hat ebenso viel Freude
am Handwerk wie an der Schönheit. Es ist ja
dieselbe Sinnlichkeit, aus der beides wächst.

Dieses Gewissen hat ihn zu der Gruppe von
Bildhauern gebracht, die der schlechten akade-
mischen Tradition des 19. Jahrhunderts ein
ehrliches Handwerk gegenüberstellten. Aus dem
erneuerten Gefühl für das Material ergab sich
von selbst die Aufnahme einer strengen plasti-
schen Form. Die übliche Tonkneterei hatte sie
verloren. Jetzt erst wurde den Bildhauern
wieder einWerknichtnur die realistischeWieder-
gabe eines Modells, sondern eine geschlossene
Kunstform, ein rhythmisch gegliederter Stein;
der Stein nicht nur Mittel des Ausdrucks, son-
dern etwas an sich Wertvolles und Bedeutendes.
Das Bekenntnis zu diesen Anschauungen stellte
den Künstler in die moderne Bewegung, in der
er durch die Art seines Schönheitsgefühls oft
wie ein Fremder wirkte.

Die Entwicklung Klimschs liegt weniger in sei-
ner Auffassung als in seiner Arbeit, die er immer
zu verfeinern strebte. In doch wohl bewußtem
Gegensatz zu einer Zeit, die diese Qualität
durchaus nicht gelten lassen will. Und in einer
Originalität, die der Zeit widerstrebt, steckt am
Ende mehr, als in der, die sich auf die Strö-
mungen der Zeit beruft oder gar erst nach ihren
Geboten künstlich hergestellt wird. ... f. st.
 
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