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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Zimmermann, Ernst: Verschiedenart künstlerischen Empfindens
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0106
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Verschiedenarf künstlerischen Empfindens.

F. m. ENGERT MÜNCHEN. GESCHNITTENE SILHOUETTE »TÄNZERIN«

seres heutigen Lebens aus. Damit ist aber auch
der individuell empfindende Mensch erstanden,
damit auch der künstlerisch individuell empfin-
dende, der stets ein wenig anders empfinden
muß, als andere. Freilich worauf diese Ab-
weichungen dann im einzelnen beruhen, welche
der genannten Faktoren bei ihnen am meisten
mitsprechen, wervermöchte dies zu sagen? Indi-
vidualitäten lassen sich nicht, wie die Geschlech-
ter und Gemütsarten, in Formeln ausdrücken.
Es sind unmeßbare Größen. Doch sie sind da,
wir empfinden sie täglich und gerade sie sind
es wohl, die künstlerischen Dingen gegenüber
so oft zu Urteilen führen, die uns unerklärlich
erscheinen, weil unsere anders geartete Indi-
vidualität sie nicht zu begreifen vermag. Sie
sind auch unabänderlich, wofern sich nicht ihre
Grundlagen ändern oder in ihrem Verhältnis zu
einander verschieben. Da aber dieses möglich
ist, da das das Schicksal ausmachende Leben

sich umgestalten kann, die Umgebung sich än-
dern, die Schulung sich vermehren läßt, so kann
auch das künstlerische individuelle Empfinden
ein anderes werden. Es kann sich weiter ent-
wickeln und auch nach anderen Richtungen,
kann herauskommen aus seinen bisherigen Be-
hemmungen und Einseitigkeiten und sich der
vollkommenen Richtigkeit nähern. Ganz ohne
Rest wird freilich dies nie geschehen können.
Denn die Verschiedenheit der Faktoren, die es
bilden, und ihres Verhältnisses zu einander wird
stets bestehen bleiben und irren wird so auch
hier stets menschlich bleiben.

Alle diese die Verschiedenartigkeit des künst-
lerischen Empfindens betreffenden Feststel-
lungen aber sind wichtig für den, der künst-
lerisch erziehen will. Denn wer dies will, der
muß sie kennen. Sonst baut er auf ungleichen
Boden und wundert sich dann, daß das Gebäude
so ungleich ausfällt.......ernst Zimmermann
 
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