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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

DOI Artikel:
Bachmann, Paul: Psychologie der Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0398

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EMMY ZWEYBRÜCK-PROCHASKA WIEN. »SCHMUCKSCHALE UND ASCHENBECHERc

PSYCHOLOGIE DER KUNST.

VON PROFESSOR PAUL BACHMANN— CÖLN.

(Schluß.)

Gerade ländliche Gegenden sind oft reich
an lieblichen Architekturen, freundlich-
heiteren Gartenhäuschen, schmucken Haustüren
und Oberlichten, predigenden Kruzifixen und
dergl. mehr, aus denen uns der sorgenlose,
ruhigschaffende Geist vergangener Tage
anweht, jenes beneidenswerte Gefühl
innerer Glückseligkeit und Zufrieden-
heit, in dem die anspruchslosen welt-
fremden Landkünstler und Kunsthand-
werker ihr engbegrenztes Reich liebe-
voll schmückten. — Und gehen wir die
Städte durch, welch ein völlig anderer Geist
steigt hervor aus den Mauern des himmel-
ragenden Domes, des reichgegliederten Rat-
hauses, des stolzen Patrizierhauses, — wir sehen
hinter diesen Werken nicht allein die Größe der
Zeit, sondern auch den Künstler stehen, der
sicher und lebensgewandt mit Geistlichkeit,
Adel und Fürsten verkehrt, der — selbst Lebens-
künstler — von den üppigen, anspruchsvollen
Lebensbedingungen seiner Umgebung merklich
berührt ist, — und dennoch — wie indifferent
auch die Zweckbestimmung der Gebäude —
es reden aus den Werken jeder Stil-
epoche andere Geschlechter, anders in-
spirierte und geartete Künstler zu uns.

Und nun betrachten wir von diesen Gesichts-
punkten aus die Kunst unserer Tage, so finden
wir an der Vielgestaltigkeit moderner Kunst-
schöpfungen eine viel stärkere Ausprägung des
Eigenwillen als in früheren Epochen, denn die
Stil-Einheitlichkeit vergangener Jahrhunderte
läßt eine Gleichförmigkeit — wenn ich so sa-
gen darf: eine Uniformierung der Gedanken
eines ganzen Geschlechts erkennen. Daher
auch diese durchschlagende Überzeu-
gungskraft, diese packende Größe, diese

meisterliche Vollendung der großen
Stilepochen, die wir von den Ägyptern an
bis auf die Tage Ludwig XVI. durchlaufen kön-
nen, — immer wird die verschwenderische
Schönheit jener der Geschichte angehörenden
Stilepochen die empfängliche Seele des Künst-
lers wie des Kunsthistorikers erheben und be-
rauschen. Ganze Geschlechter waren so
von warmen Kunstempfindungen durch-
drungen, daß der einzelne Künstler instink-
tiv — bis auf die bekannten Größen — mehr
oder weniger in der Allgemeinheit unterging,
er schöpfte aber aus den stillen Tiefen seiner
Künstlerseele jene Fülle von Gestaltungskraft
und Formenreichtum, die aus seinen Wer-
ken als vollendete Schönheit selbst
nach Jahrhunderten auf uns herüber
leuchten. Heute sucht der Einzelne in sei-
nem Schaffen sich vielmehr bemerkbar zu
machen — das hochentwickelte Reproduktions-
Verfahren, die Menge der Kunstzeitschriften
reichen ihm die Hand dazu — und nicht zum
Mindesten drängen ihn der alles umnetzende
Geschäftssinn unseres Jahrhunderts wie auch
die Forderung der Zeit nach Individualität und
Persönlichkeit des künstlerischen Ausdrucks
dahin. So fehlt wohl dem Stil unserer Tage
die frühere Einheitlichkeit, aber das, was wir
als innerstes Wesen eines Kunstwerks erkann-
ten, „Die Seele des Künstlers", müßte sich
naturgemäß auffallender äußern. Und in der
Tat ist auch unsere Zeit reich an impulsiven,
persönlichen Kunstschöpfungen, die uns wie
leuchtende Blumen herübergrüßen aus
neuentdecktem Land, das mutvoll der
Starke auf unbekannten Pfaden durch-
schreitet. Hierbei verdient noch etwas be-
sondere Beachtung! Wie sich Reichtum,Wohl-

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