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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Behne, Adolf: Vom einheitlichen Ziel der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0032

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VOM EINHEITLICHEN ZIEL DER KUNST.

Kunst und Umwelt — das ist ein besonders eng
und kompliziert geschlungener Knoten, eine
gefährliche Schlinge für das Nachdenken. Be-
kannt ist Hippolyte Taines Versuch, die Kunst
als das Ergebnis aus den vielfachen Einflüssen
des Milieus zu erklären. Merkwürdig nur, daß
Taine bei seinen sonst so langatmigen Aus-
einandersetzungen der Architektur geradezu
ängstlich ausweicht. Die Formen der Baukunst
sind frei, sind ohne nachschaffenden Bezug auf
die äußeren Lebensbedingungen der Zeit, so
daß für sie die Abhängigkeit von der bürger-
lichen Kultur weitaus schwieriger zu beweisen
wäre als für die Malerei, die Plastik, die Dich-
tung. Also weil die Baukunst den reinen Schöp-
fungstrieb besonders frei und stark wirken läßt,
weil sie demnach in besonderem Grade Kunst
ist, scheint sie Taine für seine Zwecke unge-
eignet gewesen zu sein. Das spricht natürlich
von vornherein nicht sehr für die innere Über-
zeugungskraft der „Philosophie de l'art". Wenn
es nun auch nicht ausgesprochen wird, so liegt es

doch in der Richtung der Lehre, daß auch die
Architektur bestimmt werde durch die Gegeben-
heiten der Umwelt, daß auch der Architekt der
Sklave jener Gegebenheiten des Milieus sei.
Dem gegenüber erinnern wir uns der Worte
Scheerbarts, jenes Dichters, der die denkbar
höchste und reinste Auffassung der Baukunst
in seinen schönen Dichtungen bekundet hat:
„Unsere Kultur ist gewissermaßen ein Produkt
unserer Architektur. Wollen wir unsere Kultur
auf ein höheres Niveau bringen, so sind wir
wohl oder übel gezwungen, unsere Architektur
umzuwandeln." Da haben wir also die ent-
gegengesetzte Überzeugung. Welche Anschau-
ung dem wirklich schaffenden Baukünstler die
heilige sein muß, liegt offen genug zu Tage.

Nun dürfen wir aber Scheerbart, weil er
die Allmacht des Milieus nicht anerkennt,
nicht dahin verstehen, als ob jeder Architekt
bauen solle wie in einem luftleeren Räume,
so, als habe es vor ihm nie einen Baukünstler
gegeben, und als gäbe es neben ihm keinen.
 
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