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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Gerstenberg, Kurt: Der Künstler und diese Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0130

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Der Künstler und diese Zeit.

hans
böhler-
wien.
»damen-
bildnis«

Meister reift. Wenn der Impressionismus nichts
als eine illusionistische Wiedergabe eines Stük-
kes Natur ohne Abzug, ohne Zutat verlangte,
so war das gewiß nicht mehr als ein harmloser
Selbstbetrug. Aber die künstlerischen Aus-
drucksmittel können ganz anders ausgenutzt
werden als er es tat, wenn er auch von dem
empfindungsvollsten Eindruck der Natur aus-
ging. Der Formwille muß stärker angespannt
sein, das farbige Ausdrucksgefühl reiner und
gesättigter werden. Dann wird das wahrhaft
Große entstehen, das nur losgelöst und unab-
hängig von der zufälligen Erscheinung in der
Natur, in der Welt der künstlerischen Erkennt-
nis Gestalt gewinnt. Nicht wie die Dinge sind,
nicht wie die Dinge scheinen, soll zum Ausdruck
kommen, sondern wie sie der einzelne Künst-
ler fühlt. Je reiner sich hier die Gefühle in
ihrer Welt des Bildes äußern, desto mehr innere
Gesetzlichkeit wohnt dem Werk inne, die es
besitzen muß, um dem Leben in seinem rast-
losen Vorwärtsdrängen, in seiner schillernden
Bewegtheit, in seiner unerschöpflichen Verän-

derung erfolgreich zu widerstehen. Bei der un-
unterbrochenen Erneuerung des Lebens um uns
haben alle Schaffenden auch das Recht zu zerstö-
ren. Zum Teufel mit der Pietät in diesen Dingen!
Sie vernichtet nur wie ein giftiges Gas alleTriebe,
die ans Licht drängen. Immer siegt die Ursprüng-
lichkeit, wenn sie Mut und Kraft hat. Reißt
dem guten Geschmack, dieser alten Schlange,
nur die Haut ab: es schimmert schon eine neue
darunter, und in dieser wird sie sich in unserem
Garten sonnen. . . . kurt gerstenberg (im feldej.

£

Einseitigkeit der Weltanschauung kann nie zu einer
Vollkultur verhelfen, wie sie nun einmal für einen
tieferen geistigen Kunstgenuß unbedingt erforderlich
ist. Halbkultur, Halbbildung lassen es nicht zu einem
eindringenderen künstlerischen Verstehen kommen.
Es ist nur ganz selbstverständlich, daß in einer Zeit,
da der Gelehrte nichts anderes als nur Gelehrter,
der Techniker und Handwerker nichts anderes als nur
Techniker und Handwerker sein will, ein tieferes
künstlerisches Verstehen ausschließlich bei einem ganz
kleinen Kreise zu finden sein wird, der durch beson-
dere natürliche Beanlagung auf ein Interesse an der
Kunst hingewiesen wurde. . . . KURT ENGELBRECHT.
 
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