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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Zimmermann, Ernst: Dekorative Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0176

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Dekorative Keramik.

einrichtungen strahlen unzweifelhaft oft eine
merkwürdige Kälte aus. Man sehnt sich in ihrer
vollkommenen Ordnung nach ein wenig Unord-
nung, nach Regellosigkeit und sei es auch nur an
einigen ganz wenigen Stellen und in geringem
Umfange. In dieser Beziehung können in erster
Linie Bilder helfen, die die Eintönigkeit der
Wandflächen zu brechen vermögen, Blumen,
die Ecken füllen, die glatte Tischflächen beleben
können. Das Hauptmittel aber, auch die ein-
tönige Geradlinigkeit unserer Möbel aufzuheben
und für das abtastende Auge angenehmer zu
machen, sind dekorative Setzstücke: Bronzen,
Schnitzereien, Gläser und Verwandtes, mit
denen wir ihre ebenen Abschlüsse besetzen
können. Das beste Mittel aber ist auch hier
wieder das dekorative keramische Erzeugnis.
Es bringt farbige und formale Belebung zugleich,
kann schon aus der Ferne seine belebende
Wirkung tun, bleibt, wenn man will, d. h. sich
Dementsprechendes ausgesucht hat, ruhig und
einfach dabei, kann aber auch auf Wunsch —
hier sind es vor allem die figürlichen Sachen —
lebhafter, krauser wirken. Für alle Sonder-
wünsche hat es seine Erfüllungen. Denn die
keramische Kunst ist mannigfaltig. Sie kann
ruhig und lebendig, stark und schwächer in ihren
Wirkungen sein. Daneben aber vermag das
keramische Erzeugnis in kleineren, ausgewähl-
teren und kostbareren Stücken, die eines be-
sonderen Schutzes bedürfen, auch die Vitrinen,
in deren Halbdunkel sie noch immer Glanz und
farbige Kraft genug besitzen, um auch dessen

sonstige Leere auszufüllen. Stets bedeutet es
so Belebung, Ausfüllung, Behebung der Ein-
tönigkeit und der damit verbundenen Todheit.
So ist es anspruchsvolleren Menschen jetzt auch
in dieser Beziehung unentbehrlich geworden.

Ein Glück daher, daß sie so leicht zu erhalten
und so billig zugleich I Denn die Keramik ist
dank des maschinellen, Geld ersparenden Teils
ihrerTechnik und der Wohlfeilheit ihrer erst durch
Menschenwitz geadelten Materialien, selbst
wenn sie wirkliche Kunst darstellt, wohl mit die
billigste, die wir kennen. Es hat einst auch viele
Jahrhunderte eine „Bauernkeramik" gegeben,
die auch uns heute noch behagt, ja vielfach sogar
noch vorbildlich erscheint. So kann es auch jetzt,
wenn wir wollen, eine keramische „Volkskunst"
geben. Höhepunkt dieser aber wird immer das
keramische Setzstück sein. Denn die Gebrauchs-
keramik wird sicherlich, so lange sich unserWohl-
stand nicht ganz bedeutend noch hebt und damit
ein Kunstbedürfnis erwacht, das selbst vor den
unbedeutendsten Gegenständen des alltäglichen
Gebrauches nicht Halt macht, sich in einfache-
ren, billiger herzustellenden Formen bewegen.
Zu leicht zerbricht heute in der Hast und Unruhe
des Lebens, was uns für gewöhnlich zu sehr im
Wege steht, und nur zu schnell ist dann ein großer
Aufwand völlig vertan. Freuen wir uns darum,
daß wenigstens in der dekorativen Keramik das
höchste Maß keramischer Kunst auch heute noch
weiter leben kann und bilden wir sie dement-
sprechend aus. Wir werden an ihr dann nur um
so mehr Gefallen finden. . . ernst Zimmermann.

entwurf: dina kuhn—wien. keramische kleinplastik »ritterpaar
 
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