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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Jaumann, Anton: Das Leben ohne Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0227

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Das Leben ohne Kunst.

voller, gesünder? Ich fürchte, auch die Nationen
überlassen zu sehr die Pflege des Schönen, der
guten Form, der edlen Farbe, der Wort- und
Tonschönheit ihren Künstlern wie eine lästige
Verpflichtung, die man durch den Besuch von
Ausstellungen und Konzerten, durch gelegent-
lichen Kauf von Kunstwerken ablöst.

Alle rhythmischen, gestaltenden Kräfte kon-
zentrieren sich so in der Künstlerschaft, wie die
Pferderasse in Rennpferde und Arbeitspferde
gespalten ist. Und der Künstler selbst ist auch
nur in seinem Werke formenreich, edel, schöp-
ferisch, von Rhythmus erfüllt, während er als
Mensch oft genug einen höchst traurigen, un-

HEDWIG BEYER.
SCHAUFENSTER-
AUSLAGE FÜR
ECHTE SPITZEN.

vornehmen, seelenlosen Vertreter der „Men-
schenrasse darstellt.

Stellen wir uns einmal von diesem Zustand —
hochgezüchtete Kunst auf der einen, schönheits-
arme Menschen auf der anderen Seite — das
Gegenteil vor! Es gäbe keine Künstler, keine
patentierten Schönheitsverwalter. Der Hunger
der Sinne nach Farbe, nach Melodie würde
nicht in Bildern und Konzerten befriedigt, es
muß sich jeder selbst sein Stückchen Schönheit
suchen und gestalten. Würde da das Auge nicht
zehnmal schärfer und farbhungriger in die Welt
spähen, um Bilder aus der Natur herauszuholen
und dem Gedächtnis einzuprägen? Würde die

XXI. Deztraber 1917. 5
 
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