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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Pazaurek, Gustav Edmund: Der Sieg der Qualität
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0322

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Der Sieg der Qualität.

HEINRICH JOBST—DARMSTADT.

»KERAMISCHER BRUNNEN«

unbedingt zu heißen haben: Sieg der Qualität.
— So sehr dies wohl — wenigstens grundsätz-
lich — von allen Seiten als einleuchtend zuge-
geben werden mag, eine nichts weniger als zu
unterschätzende Strömungkannnachdera Kriege
den ehrlichsten Bestrebungen ungemein gefähr-
lich werden, nämlich der in mißverstandener
Anwendung demokratisierender Zeittendenzen
bereits erscholleneRuf nach einer Luxussteuer.
Es gibt immer noch Leute und zwar nicht ledig-
lich Proletarier, die, weil sie selbst keine Organe
und daher auch kein Bedürfnis für die Kunst
besitzen, jede Art von Kunst schon als Luxus,
als etwas Entbehrliches, nur für wohlhabende
Kreise Bestimmtes erklären, also auf dieselbe
Stufe mit Automobilen, Diamanten, Pelzen,
Jagdgründen, wohlgefüllten Weinkellern und
ähnlichen schönen Dingen stellen. Wohl haben
die vornehmsten Künstlervereinigungen gegen
unrichtige Begriffsauslegungen bereits mit voll-
stem Rechte Einspruch erhoben; wohl gibt es
zahllose und sicherlich nicht die schlechtesten
Menschen, denen das Leben nicht mehr lebens-
wert erschiene, wenn man den edelsten und
höchsten Lebensgenuß, die Künste, als über-
flüssig striche. Und dennoch könnten, da die
Künste auch zur Protzerei oder finanziellen
Spekulation mißbraucht werden und eine Tren-
nungslinie steuertechnisch fast gar nicht gezogen
werden kann, nüchterne Gesetzgeber oder

Volksvertreter gerade in diesem Punkte einer
sogenannten „Stimme des Volkes" nachgeben
und die Erwerbung oder gar das Sammeln von
Kunstwerken aller Art erschweren. Das wäre
nicht nur gleichbedeutend mit der nicht wieder
gut zu machenden Preisgabe und Abwanderung
alten wertvollsten Kulturbesitzes an das Aus-
land, sondern auch mit einer Knebelung gerade
des kostbarsten Kunstschaffens, einschließlich
der höchststehenden, individuellen, kunstge-
werblichen Produktion. Die weitere unausbleib-
liche Folge davon wäre die beklagenswerteste
Niederlage der Qualität, was wir doch
schon vom volkswirtschaftlichen Standpunkte
als das größte Verbrechen, ja mehr als das, als
die riesigste Dummheit kennen gelernt haben,
also nichts anderes, als die offizielle Förderung
jeder Art von Schund und Kitsch, der leider
nicht als Luxus bezeichnet wird, obwohl gerade
nureresist. — Wir werden daher gut daran tun,
schon jetzt und immer wieder an allen Orten
eindringlichst und entschiedenst zu betonen,
daß gute Kunstqualitäten niemals unter den Be-
griff „Luxus" fallen, sofern wir nicht schlimme
Überraschungen erleben wollen. Und wenn der
Krieg noch so lang dauern wollte, und alle nur
irgend möglichen Steuern die traurige Folge-
erscheinung bilden, — alles andere darf eher
besteuert werden, aber die gute Kunst jeder
Art ebensowenig, wie die Wissenschaft. —

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