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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Zur Westen, Walter von: Fest- und Eintrittskarten von Cipriani und Bartolozzi
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0389

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ENTWURF: CIPRIANI. GRAVIERT VON BARTOLOZZI. >BESUCHSKARTE«

FEST- UND EINTRITTSKARTEN VON CIPRIANI UND BARTOLOZZI.

Die Festkarte, die im 19. Jahrhundert viel-
leicht den erfreulichsten Teil der Ge-
brauchsgraphik bildete, kann auf keine lange
Geschichte zurückblicken. Abgesehen von den
wappengeschmückten Hochzeitskarten, die be-
reits im 17. Jahrhundert bei vornehmen Ehe-
schließungen ausgegeben wurden, dürften Fest-
blätter wohl kaum vor den vierziger Jahren
des 18. Jahrhunderts entstanden sein. Ihre
Heimat ist Frankreich. Sie sind Erzeugnisse
der neuen Gesellschaftskultur des Rokoko. An
dem glänzendsten Königshofe Europas verfei-
nerte sich damals die Geselligkeit. An die
Stelle steifen Pompes und ausschließlich mate-
rieller Genüsse wollte man heitere Grazie und
feineren künstlerischen Reiz setzen. In allen
Einzelheiten im Arrangement der Feste zeigte
sich dies Streben; auch auf die Einladungen zu
den Festen erstreckte es sich. Man fühlte, daß
zu einem wahrhaft vornehmen Feste auch die
vornehme Ausstattung der dazu gehörigen gra-
phischen Bedarfsartikel gehöre. Und was konnte
vornehmer sein, als das Werk eines Künstlers?
Noch ein anderer Gedanke mag mitgesprochen
haben. Man wollte den Gästen ein nur ihnen
zugängliches Erinnerungszeichen in die Hand
geben, ein Andenken an die allzu rasch ver-
rauschten Stunden voll Glanz und Pracht, voll
Heiterkeit und Augenweide. Vielleicht darf
man Nikolaus Cochin fils als den Schöpfer der
Festkarte bezeichnen. Jedenfalls hat er bereits
1745 zu einer Hochzeit des damaligen Dauphin
die erste seiner Einladungen geschaffen, die
durchweg Musterwerke ebenso graziöser wie
zurückhaltender Dekorationskunst sind. Frei-

lich war es kein Wunder, wenn er für solche
Veranstaltungen des französischen Königshofes
den rechten Ton zu finden wußte; nahm er
doch an ihm als Günstling der Pompadour eine
bevorzugte Stellung ein, wirkte er doch als
dessinateur des menus plaisirs du roi bei der
Vorbereitung der Feste mit. Moreau le jeune,
Choffard und zahlreiche andere Feinstecher
dieser glänzenden Periode französischer Griffel-
kunst traten in Cochins Fußlapfen und schufen
in ihren Karten entzückende Denkmäler der
rauschenden Feste des ancien regime.

In Deutschland, dessen Höfe doch sonst das
Vorbild des französischen in allen Einzelheiten
möglichst getreu zu kopieren suchten, sind Fest-
karten im 18. Jahrhundert so gut wie garnicht
entstanden. Erst die Vereinsgeselligkeit des
19. Jahrhunderts rief die Schadow, Menzel und
Hosemann, die Schwind, Piloty und Kaulbach
auf den Plan. Dagegen hat die englische Ge-
sellschaft den Brauch bereits im letzten Drittel
des 18. Jahrhunderts aufgenommen und in einer
völlig freien Weise ausgebildet. Freilich waren
es zwei Romanen, denen das Hauptverdienst
hieran zukommt, zwei Italiener, denen England
eine neue Heimat geworden war; Johann Bap-
tist Cipriani und Francesco Bartolozzi. Eine
innige Freundschaft hat zwischen beiden Män-
nern während des größten Teiles ihres Lebens
bestanden. Schon während ihrer Studienzeit
auf der Florentiner Akademie hatten sie sich
kennen gelernt. Damals hatte aber ihre Ver-
bindung nicht lange gedauert, denn schon 1750
ging der damals 18jährige Cipriani nach London,
wo er bis zu seinem 1785 oder 1790 erfolgten

XXI. März 1918. 6
 
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