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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Hausenstein, Wilhelm: Ferdinand Hodler Genf
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0189

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GEORG ALTHEIM—DARMSTADT.

GEMÄLDE »DER ODEN WALD c

FERDINAND HODLER f GENF.

VON WILHELM HAUSENSTEIN.

Ferdinand Hodler ist am Pfingstsonntag in
Genf gestorben. Das Ereignis erschreckte:
Hodler schien zu den Menschen zu gehören,
über deren Hinaltern man sich keine Rechen-
schaft gibt. Daran mochte räumliche Entfern-
ung schuld sein. Aber auch das Gesamtbild
seines Werkes trug dazu bei, daß wir auf diesen
Tag nicht vorbereitet waren. Der Prozeß seines
Schaffens vollzog sich seit den mehr als zwei
Jahrzehnten seines Ruhmes unabänderlich und
trug Eindrücke des Befestigten von seinen Bil-
dern auf seine Person hinüber. Das Objektive
in seiner Kunst — wenn man will: das gleich-
mäßig Ausgedehnte und durchgehend Energische
seines Mechanismus — schien ihm selber ein
Dasein zu verbürgen, bei dem man nicht nach
Entwicklung und also auch nicht nach der
Möglichkeit des Absturzes fragt. Mit einem
Schlag besann man sich am Tage der Nachricht
erst darauf, daß der Künstler an der Schwelle
des Greisenalters gesunken und daß er wie alle
anderen aus meßbaren Bedingungen hervor-
gewachsen ist.

Er war am 14. März 1853 im Bernischen ge-
boren. Die Eltern waren kleine Leute. Der

Vater starb 1858 an der Schwindsucht. Die
Welt drohte, sich dem Knaben ins Trübe zu-
sammenzuziehen. Aber der Stiefvater Schüp-
bach, handwerklicher Maler, leitete den jungen
Hodler zur Kunst. Bei Schüpbach malte Hodler
seine ersten Stilleben: für Ladenschilder. Dem
Stiefvater verdankte er die ersten Kenntnisse
des Handwerks. Bestimmende Einflüsse in
solcher Jugend können — von Hodlers allge-
meiner Bürgerlichkeit abgesehen — dazu bei-
getragen haben, daß seine Kunst immer eine
stark handwerkliche, zuweilen kunstgewerblich-
dekorative Struktur besaß.

Die Arbeit hinderte einstweilen nicht, daß
man — Hodlers Wort — „miserabel arm" war.
Die Grabfahrt der Mutter auf einem Karren
gab dem Leben Hodlers ein Stück der kramp-
figen Geste. Man schickte den jungen Waisen
zu dem Maler Ferdinand Sommer in Thun, der
manufakturmäßig Schweizer Veduten für Gäste
des Landes hervorbrachte. Sommer war in-
dustriell, aber — so scheint es — persönlich
fein und von künstlerischem Begriff. Aus diesen
zähen Anfängen, denen Jahre versuchender
Selbständigkeit folgten, kam Hodler neunzehn-
 
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