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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Zucker, Paul: Die Trivialisierung des Kunstwerkes: zur Psychologie des Kunstgenusses
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0293

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K. R. DIETZE-

DRESDEN.

GEMÄLDE

»EIN KAMERAD«

DIE TRIVIALISIERUNG DES KUNSTWERKES.

ZUR PSYCHOLOGIE DES KUNSTGENUSSES.
VON DR. PAUL ZUCKER.

Die Meinungen darüber, ob unser ästheti-
sches Werturteil, Gefallen und Mißfallen,
Lust- und Unlustgefühl bei der Betrachtung
eines Kunstwerkes stets nur subjektiv, von
Persönlichkeit, Milieu, Zeitstimmung abhängig
ist, oder ob sich sehr wohl einzelne objektive
Maßstäbe für die Wertung des Kunstwerkes
finden lassen, gehen heute noch weit ausein-
ander. Eine merkwürdige Erscheinung beim
Kunstgenuß wird jedoch auf jeden Fall stets
nur subjektiv psychologisch verwertet werden
können, nämlich der Unterschied in der Wir-
kung ein- und desselben Kunstwerkes auf ein-
und denselben Menschen. Wir sprechen hier
selbstverständlich nicht von der banalen Tat-
sache, daß ein Bild, eine Melodie, ein Gedicht
anders auf einen freudig Erregten als auf einen
melancholisch Verstimmten wirken, sondern
setzen vielmehr in den zu vergleichenden Fällen
stets eine gleiche Gemütsstimmung voraus.

Wir nehmen an, daß das kunstgenießende Indi-
viduum auf das Kunstwerk bewußt eingestellt
ist, sich ganz darauf konzentrieren will. Und
trotz dieser annähernd unveränderten Voraus-
setzung wird die Wirkung eines Kunstwerkes
fast jedes Mal eine andere sein.

Da dieser Vorgang auf musikalischem Ge-
biet am offensichtlichsten ist, wollen wir zu-
nächst ein derartiges Beispiel wählen, um nach-
her ausführlicher auf die bildendeKunst und
das Kunstgewerbe eingehen zu können. Ein
musikalisch durchschnittlich begabter Mensch
soll nach unserer Annahme zum ersten Mal
etwa eine der Beethoven'sehen Symphonien,
den Figaro oder Tristan hören. Mit Absicht
werden hier ganz auseinanderliegende und
scheinbar vollkommen heterogene Beispiele ge-
wählt, da sich doch ihnen allen gegenüber ein
vollkommen gleiches Verhalten der Psyche kon-
statieren läßt. Die Wirkung wird eine absolut

XXI. September 1918. 2
 
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