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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Utitz, Emil: Über dekorative Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0327

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ÜBER DEKORATIVE KUNST.

VON PROJESSOR DR. EMIL UTITZ-ROSTOCK.

Echte impressionistische Kunst war nie de-
korativ. Sie sollte auch nicht Wände
schmücken oder reizvoll beleben, geschweige
denn Zwecken der Architektur dienen. Sie war
reine Malerei, deren Wert und Sinn in ihr be-
schlossen lag. Was ich hier „reine Malerei"
nenne, darf nicht mit dem verstaubten Schlag-
wort „Kunst für Kunst" zusammengeworfen
werden: ich meine lediglich, daß der Impres-
sionismus mit unerbittlichem Ernst, mit groß-
artigem Wahrheitsdrang und einer wunderbar
keuschen Verehrung alles Naturhaften die
sichtbare, farbige Welt erobern wollte, so wie
sie ihm erschien. Und keine anderen Rücksich-
ten banden sein Streben. Diese männlich her-
ben Bilder sind so recht — Museumsstücke.
Sie sind nur kostbare Malerei; diese Beschrän-
kung ist zugleich ihr vornehmster Ehrentitel.
Darum bedürfen sie auch einer Umgebung, die
lediglich der Malerei gewidmet ist. Schon eine
betont rhythmische oder sonst irgendwie ak-
zentuierte Hängung bringt einen Mißklang:
falsche Liebedienerei am untauglichen Objekt.
Ungestörte Ruhe brauchen diese Werke, dann
entfalten sie königlichen Reichtum. Sie fordern
gleichsam die kühle Neutralität des Sammel-
raumes. Gutes Licht, passender Hintergrund,
verträgliche Nachbarn und Platz; das sind ihre
Lebensbedingungen. Alle anderen Hilfen ver-
schmähen sie. Handelt es sich deshalb um ein
bewohntes Zimmer, so muß sich dieses seiner
ganzen Anlage nach unterordnen, ein erweiter-
ter und dabei doch bescheiden zurücktretender
Rahmen sein. Ähnlich dominiert in einem an-
gemessenen Musikraum das Instrument, und
jegliches ist eingestellt auf den möglichsten
Genuß an Tonwerken, der nicht abgelenkt oder
durchkreuzt, sondern gesteigert werden soll.

Selbst ein Versuch, lyrische Stimmungen im-,
pressionistisch zu gestalten, ist bereits von
diesem Standpunkt aus: Verwässerung, Auf-
lockerung; Empfindsamkeit neben ergriffen
schweigendem oder feierlich rollendem Pathos.
Wo gar unternommen wurde, die Farben „ge-
schmackvoll" zu arrangieren, da war eigentlich
schon der Weg des Impressionismus verlassen.
Nicht daß diese Wege nun schlechter sind; eine
Unterhaltung darüber wäre Unsinn: aber anders
sind sie, grundverschieden. Und darüber muß
man sich klar sein. Zugleich vollzog sich aber
hiermit bereits eine Annäherung an das Deko-
rative. Der zärtlichere Hauch des Lyrischen
paßte schon besser in die weiche Luft bewohn-
ter Räume; er durchkältete sie nicht und wühlte
sie auch nicht auf. Wo „gepflegte" oder „ele-
gante" Kultur zu gestalten begann, schlössen
sich leicht enge Bande zur dekorativen Bestim-
mung. Die Note war angeschlagen, die gleich-
falls im vornehmen Heim erklang. Nur ein
Schritt weiter: und die Themenwahl konnte in
Rücksicht auf die Schmuckwirkung getroffen
werden. Es entstanden die Bilder, die nun
wieder im „Museum" verloren sind, für die der
Sammler keiner eigenen Räume bedarf, son-
dern die sich erst im wohnlichen Gemach wohl
fühlen, in dieser Atmosphäre, auf die sie abge-
stimmt sind. So münden Seitenwege des Im-
pressionismus ins Dekorative, während er an
sich diesen Prinzipien fernsteht. Er will das
unerschöpfliche Leben in der quellenden Ganz-
heit des Seins, wie es sich dem empfindlichen
Auge offenbart, aber nicht Schmuck, Schönheit,
Einordnung in architektonische Rahmung.

Von ganz anderen Grundlagen her kam der
Expressionismus, wenn man sich dieses wenig
glücklichen Schlagwortes bedienein ^arf: straffe

XXII. Primär '.919 ^
 
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