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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Corwegh, Robert: Ausstellung "Kunst des Jahres" Darmstadt 1919
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0192

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Ausstellung -»Kunst des Jahres«. Darmstadt ip/p.

J. W. SCHÜLEIN—MÜNCHEN.

GEMÄLDE »PARTENKIRCHEN«

kommenden Jahren nach der Besserung aller
Verhältnisse wird die Leitung in der Lage sein,
Umschau nach Werdenden zu halten, aus der
Verborgenheit Unerkannte ans Licht zu ziehen.
Ob allerdings in jedem Jahre mehr als Einer
die „Entdeckung des Jahres" werden dürfte,
ist sehr zweifelhaft: die heutige Ausstellung
schenkt uns in Kay H. Nebel einen unbe-
kannten Künstler, dessen Weg fortan jeder
Kunstfreund mit Teilnahme wird verfolgen
müssen. Also auch hierin erfüllt die Ausstel-
lung ihre Vornahme.

Von einer Entwicklung im Sinne dieses bei
den Naturwissenschaften angewandten Begriffs
kann man im Rahmen der Kunst nicht reden,
nur von ständigem Richtungswechsel, in dem
die Einstellung einer Zeit zu der Natur zum
Ausdruck gelangt.

Monet wie Cezanne strebten nach dem
„gareggiare la natura" (Leonardo da Vinci)
Cezanne wollte Bilder malen, „so schön wie die
Wirklichkeit" ; darum gilt es festzustellen, was
ist Natur für jene, deren Weg in der Richtung
des Impressionismus liegt, was für die Neuesten,
die Expressionisten?

Nehmen wir den Naturbegriff der Impres-
sionisten unter die Lupe, so zeigt sich in ihm

die gleiche Auffassung von der Natur wie bei
Griechen und Künstlern der Renaissance. Man
will die Erscheinung der Außenwelt organisch-
lebendig gestalten. Man sucht ein vertrauliches
Verhältnis zu ihr, das durch immer festeres
Erfassen von Einzelheiten an Intimität gewinnt.
So formten die Künstler des Impressionismus
klarer das Spiel des Lichtes und der Luft,
freuten sich am farbigen Abglanz der Dinge
und suchten ihre Palette in seine ganze Farbig-
keit einzutauchen.

Je hilfloser aber der Mensch der Außenwelt
gegenübersteht, weil in ihm der Instinkt „für
das Ding an sich" stärker als in anderen lebt,
um so größer wird seine Sehnsucht nach Lösung
und Erlösung sein. Weil ihm die Gesetzmäßig-
keit der Natur nicht offenbar wird, so sucht er
nach eigenem Gesetz ihr Bild zu schaffen und
tastet nicht mehr nach organischer Form, son-
dern nach überorganischen. Er will hinter den
Schleier der Maja greifen. Aus tiefer Verwun-
derung stellt er dem Wunder nach. Was ihm
Träume heraufführen, hascht er im Leben. Zu
den „Müttern", zum Urbild alles Wesenhaften
greift sein Sehnen. Wenn er daher in seiner
Kunst chaotisch erscheint, kein Wunder ; denn
aus dem Chaos treten die Dinge im Urzustand.
 
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