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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Corwegh, Robert: Ausstellung "Kunst des Jahres" Darmstadt 1919
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0207

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Ausstellung » Kunst des Jahres« Darmstadt igig.

prof. w. klemm—weimar. gemälde >st. franziskus«

Darbietung im „Fohlen" wie im „Böckchen" ge-
hört der starke Instinkt einer Frau. Wie dem
Gassenjungenhaften des Fohlens in der Haltung
des Kopfes, in den zu langen, ungelenken Bei-
nen Ausdruck wird, wie das Ruppige, Pudlige
die Beine des Böckchens an sich tragen, wie
jede Linie, jede Form lebt, das ist Kunst, sieg-
hafte Kunst, die alle Gegnerschaft gegen die
Theorie des Expressionismus überwindet.

Der Expressionismus ist ja an sich auch uralt.
In unserer Zeit stört viele die Rückkehr zum
Primitiven. Aber gerade die Einstellung des
primitiven Menschen zur Natur ist der unserer
Jungen verwandt, muß es da die Formensprache
nicht auch werden? Welche Wege in Zukunft
die Kunst nehmen, wie die Natur erfaßt werden
wird, wer wollte prophezeien? Spätere Aus-
stellungen werden die Lösungen zeigen. Bunt
und vielgestaltig wie unsere ringende Zeit wirkt
die Übersicht der Kunst des Jahres 1919. Die
Kunst ist ja ein klar umrissenes Abbild des
Lebens. Man kann das Gärende unserer Epoche

unbequem empfinden, und sicher wird man-
ches Zarte dabei zerstoßen und bedrückt,
aber was nützt es gegen eine Gegenwart zu
murren? Wer in sich Zukunft trägt, hat sie
überwunden, und wer recht zu genießen weiß,
der freut sich aller Buntheit; denn auch sie ist
Zeuge des Reichtums seelischen Lebens und
seines Auswirkens in der Formenwelt.

Man wundert sich stets, mit welcher Leiden-
schaft das Neue der Kunst abgelehnt oder be-
jaht wird. Das liegt daran, weil die Mensch-
heit noch nicht lernte, das Reich der Freiheit,
das Reich des Geistes, von der Welt der Ge-
bundenheiten zu trennen. Wenn auch die
Künstler Menschen sind, die Kunst selbst reicht
über das Menschliche hinaus, und nur der,
dessen Kunst das Ewige sucht und wider-
spiegelt, hat Werte und Rechte.

Was aber nützt menschliche Auflehnung
gegen das Ewige? Nur wer sich beugt, wird
vom Ewigen nicht bedrückt, nur wer sich über-
windet, steigt zur Höhet dr. robert corwegh.

XXII. Juli 1919. t*
 
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