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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Roessler, Arthur: Zu den Wandbildern von Karl Walser, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0235

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KARL WALSER—BERLIN.

>WANDMALEREI TN FRESKO-TECHNIK«

ZU DEN WANDBILDERN VON KARL WALSER-BERLIN.

VON ARTHUR RÖSSLER WIEN.

Die uns noch schmerzhaft in allen Gliedern
liegenden Schrecken des Krieges haben,
wie auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit,
auch auf dem der bildenden Kunst schauder-
liche Zustände, Wirrnis, Verlotterung, Ver-
schmockung.Verlogenheit, geistige und seelische
Verarmung und ein weiteres Schock Folge-
erscheinungen hervorgerufen und die Künstler
wieder einmal in die Niederungen geführt. Die
einen halten mit der „königlichen Gebärde",
die sie dem Heldendarsteller einer Provinz-
schmiere abguckten, von den akademischen
Herrschaften vergangener Zeiten hinterlassene
öde Dekorationsstücke feil, andere, betulich sich
gehabende, versuchen ihr Geschält mit muffig
gewordener Romantik und Bildermeierei zu ma-
chen, während eine Schar sich fortgeschritten
dünkender Palettenlöwen mit schalem Natura-
lismus und entseeltem Impressionismus erfolg-
reich zu sein hoffen und die jüngsten der Manu-
fakturist en mit Emsigkeit sich mühen, den Markt
für die, nach neuestem Rezept im Dutzend ver-
fertigten „Expressionen" zu gewinnen. Jedem
Begehren wird Erfüllung, nur dieSehnsucht nach
Erhebung und Läuterung bleibt unbefriedigt.

Es ist bitter zu sagen, aber noch bitterer zu
erkennen, daß es den meisten unserer Künstler
an jeder Herzensstellung zu den Menschen und

Dingen mangelt, daß ihr Tun bloße Gehirnleistung
bleibt, kleinartige leider, die keine Spur von
jener Kraft aufweist, die nach oben trägt und
in der Höhe erhält. Gewiß, man begegnet
ebenso virtuosen wie geistreichen Leistungen,
nur muß man sich dabei fragen, wessen Geistes
sie sind. Verstand ist mechanischer, Witz ist
chemischer, Genie allein ist organischer Geist
genannt worden und nur auf letzteren kommt
es in der Kunst an. Just dieser organische
Geist gibt sich in der gegenwärtigen Kunst-
leistung jedoch überaus selten kund. Darüber
muß man sich klar sein und frei muß man sich
halten von den Einwirkungen einander wider-
streitenden vielstimmigen Ruhmgeschreis, denn
es gilt dies zumeist nur den emporgejauchzten
Ephemeren eines Tages, dann wird man eine
Arbeit, wie die von Karl Walser in dem von
Prof. Strnad bei Wien erbauten Landhaus voll-
brachte als eine Kunstleistung von ungewöhn-
licher Wertgrädigkeit zu schätzen wissen.

In den schönen Wandgemälden, über deren
Gegenständlichkeit die Abbildungen in diesem
Hefte besser unterrichten, das heißt eine bessere
Vorstellung vermitteln als dies eine Wort-
schilderung vermöchte, hat sich Venedigs
prunkende Renaissancefestlichkeit auf das
glücklichste mit heiterer Rokokoanmut zu

XXIII. Januar 1920. 3*
 
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