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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Osborn, Max: Alt-Berliner Porträts
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Jaumann, Anton: Synthese
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0181

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der Sohn seiner Mutter setzte. Und Karl
Blechen, der Lichtpoet der vormenzelschen
Zeit, verblüfft durch die fabelhaften Porträt-
zeichnungen aus dem Kreise des alten (1814
von Schadow gegründeten) Berliner Künstler-
vereins , die bisher völlig unbekannt geblieben
waren. Ganz schnell hingesetzte Spiegelungen;
dabei wundervoll eigenwillig und persönlich,
von jedem Objekt zu anderer Zeichenmethode
angeregt, durchaus modern in der Führung der
Kreide, alle Konventionen der Zeit sprengend.

Freilich, als nun die Stadt reicher wurde, als
Preußen emporstieg, die Gründung des Kaiser-
staats sich vorbereitete und vollzog, war es mit

der Sicherheit des künstlerischen Schaffens aus.
Geradezu erschreckend hat das die Berliner
Ausstellung wieder bestätigt. Es kommt wohl
hier und dort zu bedeutenden Einzelleistungen,
aber es fehlt die große Bindung, der Zusammen-
halt. Jene Totalität der Welt- und Lebensan-
schauung war verloren — die Kunst als Mensch-
heitsbarometer zeigte das an. Vorbei war es
mit der Blüte der Berliner Porträtmalerei. Denn
vorbei war es mit den wurzelechten berlinischen
Menschen als einer Klasse und Rasse, wie sie
Theodor Fontane einmal charakterisiert hatte:
„Die Seele griechisch, der Geist altenfritzisch,
der Charakter märkisch"............m. o.

SYNTHESE.

Der Kunstfreund, der in der Kunst die Schön-
heitswerte liebt — verschieden vom Samm-
ler, dem es mehr auf den Namen, auf die Be-
rühmtheit ankommt — steht oft mit aufrich-
tigem Bedauern neben den sich ablösenden
Bewegungen, die mehr in programmatischen
Neuerungen sich kundtun, als in abschließenden,
reifen Werken. Er vermißt die klassische Lö-
sung, das große, ausschöpfende, starke Werk
und er sucht es in den Ausstellungen fast immer
vergebens. Schon der Impressionismus hat ver-
schwindend wenige in seiner Art klassische
Bilder hervorgebracht, und das „große" Bild
hätte ja auch seiner Absicht, die eine Wieder-
gabe des flüchtigen, optischen Eindruckes er-
strebte, ganz und gar nicht entsprochen. Die
Standardwerke von Manet sind ebenso kompo-
niert wie die von Liebermann. Der Impressio-
nismus ist rein immer nur in der Skizze zum Aus-
druck gekommen. Und wie wurde gerade über
dieses Skizzenhafte vom Kunstfreund geklagt.

Heute ist das Bestreben der jungen Maler
eigentlich ja auf das Bildmäßige gerichtet. Sie
komponieren, konstruieren. Aber wieder suchen
wir das durchgearbeitete, reife „fertige" Bild
vergebens. Wir sehen Liniengerüste ohne Kleid,
Gedanken ohne Verkörperung. Der Kunst-
freund stößt sich an den Verzerrungen wie
früher an den Flüchtigkeiten. Er hält, wenn
er guten Willens ist und den Künstlern gerecht
werden will, mit seiner Entrüstung und Ent-
täuschung zurück, aber im Innern haben ästhe-
tisch gestimmte Menschen dieser Art doch alle
ein Empfinden und eine Hoffnung, es müßte
möglich sein, auch in der neuen Weise volle,
reife, restlos erfreuliche Werke zu schaffen.
Werke, die auch das reiz- und schönheitshungrige
Auge befriedigen, die mehr sind als Sensation.
— Aber diese Hoffnung wird ebenfalls vergeb-

lich sein. Um das Konstruktive des Bildes, um
den Ausdruck rein herauszuarbeiten, haben
unsere Maler auf alle anderen Zutaten und
Ausschmückungen verzichten müssen. Luft-
stimmungen gibt es nicht mehr, die Sonne hat,
außer als Ornament, ausgespielt. Wer kennt
noch die feineren Schwebungen, die Valeurs
der Farben? Soll das alles abgetan und ver-
gessen sein, ebenso wie die Fähigkeit, auf der
Haut die unendliche Vielfältigkeit der Lichter
und Töne aufzuspüren? Die neuen Ziele for-
dern Verzicht auf alle Blumen, die abseits
vom geraden Wege blühen.

Aber, so fragt der Kunstfreund, sollen wir
uns nun wieder mit ungefähren Lösungen ein-
seitiger Problemstellungen begnügen, um dann
rasch zu neuen, noch einseitigeren Aufgaben
weiterzugehen? Kann es nicht einmal ver-
sucht werden, etwa im Porträt, geistigen Aus-
druck, reine Farbigkeit und Lichtstimmung des
Milieus zu einer frohen Synthese zu vereinen?
Ich wage kaum, diese Verbindung von Dingen
niederzuschreiben, die alsunversöhnlicheGegen-
sätze gelten. Und doch! Der naive Kunst-
freund hegt nun mal diese Sehnsucht nach der
großen Synthese im Herzen, still, furchtsam —
auch in der Kunst herrscht manchmal Terror —
er kann sich das Bild dieser Synthese nicht
vorstellen, aber er erwartet es mit beschei-
dener Hartnäckigkeit.

Die Aussicht auf Erfüllung ist nicht groß.
Denn der Ablauf des Kunstgeschehens stellt in
unseren Tagen eine Folge kurzer Perioden
höchster Einseitigkeit dar. DieKunst wird in Ein-
zelprobleme aufgelöst. Was nicht in diesen engen
Bezirk paßt, gilt überhaupt als kunstfeindlich.
Nichts liegt unserm Kunstbetrieb ferner als
Synthese. Der Kunstfreund wird noch lange
warten müssen........... anton jaumann.
 
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