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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Freund, K.: Theodor Wende
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0205

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TH. WENDE-DARMSTADT. »ASCHENSCHALE IN SILBER«

THEODOR WENDE.

Hier liegt aus eines Behutsamen Werk weniges
ausgebreitet. Den heute 37 jährigen Ber-
liner hat die Berufung des hessischen Groß-
herzogs 1914 zum Darmstädter Kolonisten
gemacht. Keine Lärmtrommel schrie ihn am
wimmelnden Markte aus. Die Zeit, über-
geschäftig, kleinstes Geräusch durch schmet-
ternde Schallrohre zu dröhnen, ließ diesen Still-
wirkenden unbeachtet. Überzeugt vom Recht
und der Richtigkeit seines Daseins lebt er in
der Arbeit seiner geschmeidigen und sicheren
Hände, beim bedachten Ausführen ganz Hand-
werker, ganz Künstler durch das Glühen des
inneren Gesichts.

Gold und Silber und edle Steine sind seine
Stoffe; sein Werkzeug sind Treibhämmer und
Treibdorne, Lötflamme und Kolben, die kleine
Feile und der Grabstichel; seine Gegenstände
sind Ringe, Ketten und Gehänge, Schalen und
Becher, Dosen und feine Gefäße. Mit des
Handwerks Genossen teilt er den mühevollen
Weg, welcher von der ungestalten Materie hin-
weggeht und durch Gestaltung demjenigen zu-
führt, was dem Zweck, dem Spiel, der Freude
dient. Mit des Handwerks Genossen teilt er
auch, was der Materie an Glanz und Farbe
und sinnlichen Reizen innewohnt, an Härte und
Dehnbarkeit, was sie selten macht und kostbar;
ihre Kraft Licht zu brechen, Licht zu spiegeln;
ihr Gebundensein in des Menschen Gefühlsreich,
die mystische Sinnbildlichkeit, durch welche das
festliche Gold die Sonne, das grauschimmernde
Silber den Mond hervorbeschwört.

Sein eigen aber ist die Form.......

Die Gewöhnung des Lebens zeigt uns die
umgebende Welt als wohlgeordneten Bezirk;
darin sind die Dinge tüchtig zueinander gestellt,
in sich formvoll gefügt. In die Fülle fertiger
Gebilde habe der Künstler, glauben wir, glück-
liche Griffe zu tun, Wahl zu treffen nach An-
leitung seines Willens, und es entstehe — in
seinem Stoffe — das Werk. Nimm das Un-
mögliche an, ein gesunder Mensch wachse im
lichtlosen Kerker auf und eines Tages werde
er ins Reich der Sachen gestoßen: Heillosem
Tumult im Innern wird Getös und Gequirl von
draußen antworten. Doch wird er sich ermannen,
Ordnung schaffen in dem, was ordnungslos seine
Sinne befällt, wird Ding von Ding sondern, die
Gesonderten ins Verhältnis bringen, bloßen Reiz
zum Gebilde formen, ihm gemäß. Ein freier
Schöpfungsakt wandelt die angestarrte Wunder-
welt zur daseinsmöglichen Welt der Sinne. Ihr
nun, die ihm von vornhinein gegeben ist, be-
gegnet der Künstler mit neuem Staunen; sie,
die zweckvolle, bedeutet ihm neues Chaos;
sie, die durchrechenbare, ist ihm von Wundern
neu gefüllt. Von sich her ein zweitesmal sie
durchzugestalten, treibt es ihn an. Die untern
menschlichen Zwecke verschmähend, führt er
einer oberen Schicht menschlichster Zwecke
sie zu. Nicht jeder, der Kunst macht, kommt zu
dieser zweiten Welt. Damit sie schlackenrein
werde, muß sie ganz seine Welt der Freiheit
sein, seiner inneren Form im äußeren Bestand
entsprechen. Weil seine Welt so beschaffen
ist, daß über den bloßen Gebrauch und außerhalb
der handwerklichen Geschicklichkeit als Form
 
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