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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Ewald, Reinhold: Piero della Francesca: anlässlich der 500jährigen Wiederkehr seines Geburtsjahres
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Das Genius im Kinde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0254

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Piero della Franc es ca.

Form- und Farbgebilde primär sind, tritt hier
in dem Bilde des Konstantin-Traums das Hell-
dunkel als Schwerpunkt der malerischen Mittel
hervor, verbunden mit ruhig formaler Raumdis-
position. Das wohlig gerundete Zelt, die zwei
stehenden und der sich stützende Wächter sind
hier zugleich formale Raumzeugende wie Hell-
Dunkel-Massierungen.

Piero della Francesca gilt als der erste Frei-
lichtmaler, deshalb, weil er unmittelbar von der
Natur angeregt, hellste Farben holt. Man kann
die Farbe des Gruppenporträts des Herzogs-
paares von Urbino in den Uffizien unmittelbar
mit der Farbe des Treibhauses des Manet in Ber-
lin oder der Arlesienne zusammenbringen. Doch
ginge man fehl, diese seine farbige Realistik als
das Primäre seiner farbigen Bedeutung zu be-
zeichnen. Sein Lehrer Domenico Veneziano
hat ihn, wie das im Kaiser Friedrich-Museum
in Berlin befindliche weibliche Porträt zeigt,
farbig von der Konvention befreit.

Das Ausschlaggebende ist jedoch der Gegen-
satz des Farbgebildes der Schlacht zu dem der
Königin von Saba. Etwa in der Spannweite
der Handlungen zueinander stehen die beiden
Erfindungen der Farbe.

Es steht fest, daß Piero im späten Alter den
frei sich ergehenden Bildraum — den künstle-
rischen Raum an sich — als Fundamental-
Lehrsatz aufgestellt hat. Die Bilder seiner Hoch-
periode in Arezzo füllen kühn dieses fundamen-
tale Gehäuse. Das scheinbar Eingefrorene der
Schlacht, das formale Gebilde, das sich ballt
und wie eine Granate auseinanderberstet, ist
expressionistische formale Schlacht analog der
Alexanderschlacht.

Es scheint mir wichtig, in einer Zeit wie der
unserigen, in der in Frankreich Werke bereits
entstanden sind wie die Badenden des Seurat,
dessen Chahut, das Zirkusbild, in der Derain
Porträts malt wie das des Chevalier X, in der
Matisse so unglaubliche Porträts und den blauen
Tanz gemalt hat, solch Bild wie die Kreuz-
tragung des Piero in die Parallele zu stellen und
den Turm der blauen Pferde des Franz Marc
etwa zu dem mittleren Teil der Schlacht des
Piero. Denn Eines ist all diesen Dingen gleich:
Ein Herausbringen von stärkster, vollster Natur,
nicht von tiefgründiger Psychologie oder gar
Philosophie aus, sondern durch das Gefrieren
aller Erlebnisse in diesen Urmalern zu dem, was
eben Eigenstes in Malerei heißt: Durch be-
hauptend entstehende Gesamtgebilde der Form,
Gesamtgebilde der Farbe, des Großvaleurs
wird Psychologie und Ausdruck geboren.

In Deutschland geht noch eine Linie, die mir
psychologischer Natur scheint, von den Porträts

Liebermanns zu denen Kokoschka's, sie scheint
mit ihren Wurzeln bis zum Selbstbildnis und
Muffelporträt des Dürer zu greifen.

Rein malerische Ereignisse, wie die Porträts
des Cranach, das der Frau Luthers, des Herzogs
Heinrich des Frommen von 1537, der Herzogin
Catharina u. a. scheinen uns heute noch schwer
einzugehen.

Ich glaube, man müßte Dürer und Beethoven
zusammenzuempfinden suchen, um plötzlich
zu sehen, daß in der Kreuztragung des Piero
della Francesca die Matthäuspassion des Bach
mit ihrer unpsychologischen Reinheit steckt.

Vielleicht kommt dann ein Porträt des Picasso
und die berühmte, aber unphilosophische Violine
auf eine Bach'sche Fuge oder einen Satz des

Mozart heraus........... reinhold ewald.

Ä

DER GENIUS IM KINDE. Die städtische
Kunsthalle Mannheim und der ihr ange-
gliederte „Freie Bund zur Einbürgerung der bil-
denden Kunst" bereitet eine umfangreiche Aus-
stellung vor, die das Verhältnis von Kind
und Kunst behandeln soll. Der Ausstellungs-
plan faßt vorläufig drei Hauptteile ins Auge. Der
erste Teil ist dem Kinde als Künstler gewid-
met. Er zeigt sowohl künstlerische Arbeiten
heute bereits Erwachsener, die es zu bedeuten-
den Künstlern gebracht haben, als solcher, in
denen die künstlerische Anlage später erlosch.
Er zeigt ferner eine große Auswahl von Arbei-
ten heute im Kindheitsalter stehender Menschen,
wobei möglichst viele Individualitäten von frü-
hesten Jahren an über längere Zeiträume der
Kindheit hinaus verfolgt werden sollen.

Der zweite Teil der Ausstellung gilt der
Kunst in der unmittelbaren Lebensum-
gebung des Kindes, also vor allem in Haus
und Schule. Hier soll ein gewähltes Material
an künstlerisch einwandfreien, d. h. zum eigenen
künstlerischen Mitgestalten anregenden Bilder-
büchern , Anschauungsvorlagen, Spielzeugen
usw. vorgeführt werden, die sich zum Gesamt-
bild einer vorbildlichen „Kinderstube" und
„ Schulklasse " zusammenschließen.

Der letzte Teil der Ausstellung gilt dem
schwierigen und verzweigten Problem der
künstlerischen Erziehung des Kindes,
also vor allem des Zeichen- und Modellier-
Unterrichts.

Künstler, die Arbeiten aus ihrer Kinderzeit
bewahrt haben, sowie Eltern künstlerisch irgend-
wie begabter Kinder, und alle um die Kunst-
erziehung unserer Jugend bemühten Lehrer und
Erzieher werden um Überlassung ihres Mate-
rials, auch um Erstattung von Anregungen und
Vorschlägen freundlichst ersucht........w.
 
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