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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Gleichnishaftes Wesen der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0272

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erich m. simon-heri.in.

kalender/.eich nunc

GLEICHNISHAFTES WESEN DER KUNST.

Daß alles Vergängliche nur ein Gleichnis sei,
ist eine Erfahrung religiösen Erlebens. —
Irgend etwas in uns weiß sich eins mit dem
Wesentlichen in allen Daseinsformen. Irgend
etwas in uns kennt nur ein Wissen, lebt nur in
einem Begriff: dem des Einen. Von hier aus
wird die Vielfältigkeit der äußeren Daseins-
formen als unwesentlich und gleichnishaft emp-
funden; notwendig zur Verankerung des Einen
im Leben, unwirklich gegenüber dem Ewigen,
das meerhaft in und um alle Gefäße von Daseins-
formen wogt.

Der Künstler läßt uns das symbolhafte Wesen
der Daseinsformen klar in seinem Schaffensvor-
gang erfahren. Regte sich nicht der schaffende,
wortlose Geist im Künstler: nie hätte ein
Mensch von der Sinnlichkeit her das Bedürfnis
empfunden, einen Baum, ein Tier, einen Men-
schen auf Tafel oder Leinwand nachzuschreiben.
Nur weil im Künstler der hitzige, bildbedürftige
Geist lebt, die innere Zeugung, nur deshalb be-
deckten sich Flächen mit Welt, schieden aus
dem Stein die granitenen Herrscher und Köni-

ginnen, als Gleichnisse dieses wortlosen inneren
Erkühnens. Der Laie liest das Gleichnis ab
als unterhaltende Geschichte und glaubt an
buchstäbliche Mitteilung. Er meint, dies sei
entstanden aus dem Wunsch, ihm etwas zu er-
zählen, und läßt sich daran genügen. Er ahnt
nicht, daß Gedichte aus sinnlosen Klängen vorm
inneren Gehör, Bilder aus Rhythmen ohne jeden
begrifflichen Gehalt entstehen. Das gießt sich
hitzig ins Zeichen, und das Zeichen ist nur dann
begriffen, wenn diese wortlose Erregung in den
Genießenden übergezuckt ist.

Der aber fehlt meist dadurch, daß er sich an
das Tote und Gewandhafte hält, daß er es gar
mißt an seinem nüchternen, wertlosen Weltbild
und so bei der Mauer verweilt, unansichtig des
Gartens, den sie umhegt.

Niemand suche aus dem Kunstwerk zu er-
fahren, wie die Welt beschaffen ist. Sondern
er spüre, wie die Weltseele sich darin regt in
ewiger Wiederholung der Schöpfung, in deren
Formen sie sich nicht festbannte, sondern gleich-
nisweise zu verdeutlichen suchte.......m. f.
 
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