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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

DOI Artikel:
Lux, Joseph August: Die Kunst des Kunstempfindens
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0342

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Die Kunst des Kunstempfindens.

professor iirun" paul.

»schmiedeeisernes gitter«

Menschheitsgeschichte ist die Geschichte der
Ausnahmefälle; Kunst statuiert die Ausnahme
und verwirft das Herkömmliche; sie behauptet
ihren Rang neben allem Großen, indem sie
immer wieder neu in den Strom der Geistigkeit
hinabtaucht und aus dem ewigen Fluß immer
wieder als anderes emportaucht, das uns von
den gebrauchten Formen erlöst und die Geistig-
keit des Unendlichen in der Unerschöpflichkeit
der Form spiegelt. Dies, Kunstempfindende,
würdet Ihr wissen, wenn Ihr selbst in den Strom
hinabtauchtet, wo Eurem Empfinden das Licht
aufgeht und Ihr den ewigen Inhalt an jeder neuen
Form erkennt, die notwendig neu und jung sein
muß, wenn sie aus der Dynamik des inneren
Lebens geboren ist und nicht im Abschauen von
Vorbildern peripherisch erzeugt wurde, von
Vorbildern und Formen, auf die jene schwören,
die bloß Einäugige und nicht Sehende sind unter
den Künstlern wie unter den Kunstverehrern.

Zur Kunst berufen sind wenige; zum Kunst-
empfinden alle. Es kommt nur darauf an, daß
sie ihre Seele entdecken und deren grenzenlose
Fähigkeiten und den rechten Gebrauch wissen.
Das rechte Empfinden in diesen Dingen führt

zum Göttlichen hin, weit über das Elend der
Zeiten hinaus. Der rechte Gebrauch in diesem
Sinn ist die einzige Sittlichkeit, die zur Men-
schenwürde führt, und in der Kunst ihr hohes
Urbild erkennt, vor dem der moralisierende
Splitterrichter in seiner Unduldsamkeit und Lüge

basiliskenhaft erstarrt............. j.a. l.

dt

Wo beginnt die Ausführung eines Bildes, und
wo endet sie? Im Augenblick, da höchste
Empfindungen in der Tiefe des Wesens in Fluß
sind, im Augenblick, da sie zum Ausbruch kom-
men und der Gedanke wie Lava aus einemVulkan
bricht, ist das nicht die Blüte des plötzlich
geschaffenen, vielleicht brutalen Werkes, das
aber sicherlich groß und übermenschlich ist ? Das
kalte Rechnen der Vernunft hat nicht über dieser
Blüte gewaltet, wer aber weiß, wann in der Tiefe
des Wesens das Werk begonnen wurde? Unbe-
wußt vielleicht. Haben Sie schon gemerkt, daß,
wenn Sie eine Skizze nochmals abzeichnen wol-
len, mit der Sie zufrieden sind und die in einer
Minute, einer Sekunde der Inspiration geschaf-
fen ist, Sie immer nur eine minderwertige Kopie
zu Wege bringen ?......... paul gauguin.
 
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