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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Menkes, Hermann: Zu den Bildern von O. Th. W. Stein
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0333
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O. TH. W. STEIN—BERLIN.

»LESENDES MÄDCHEN« 1921.

ZU DEN BILDERN VON 0. TH. W. STEIN.

VON HERMANN MENKES.

OTh. W. Stein, dessen künstlerisches Wesen
. Däubler in feiner Einfühlung in diesen
Blättern bereits charakterisiert hat, ist so recht
der Maler für sensible Naturen- In einer Wiener
Ausstellung von etwas Abseitsstehenden fand
meine erste stille Begegnung mit seiner Kunst
statt. Es braucht dieser Stille und ungestörten
Versenkung, um eine Malerei auf sich wirken
lassen zu können, deren Zauber im Visionären
liegt, in einer Farbensprache, die bis zu einem
fast unhörbaren Flüsterton heruntergedämpft
ist. Sie ist Traum und Wirklichkeit diese Kunst,
oder besser: eine rein gefühlsmäßig angeschaute
Welt, von Schleiern umwoben, von leiser
Schwermut durchzittert. Aber manchmal ist es
doch, als ob der Künstler das Auge aufge-
schlagen habe, das Auge eines Tagträumers, um
Schönheit und Licht in sich einzufangen.

Das kommt in seinen neuern Arbeiten zum
Ausdruck. Es ist wie ein Erwachen der wie in

vegetativer Ruhe beharrenden Gestalten, die
Blumen beginnen zu erschauern im Licht, das
auf sie eindringt, seine heruntergedämpften
Farben zu singen, Dieses dominierende Grau,
das er nach seinem Bekenntnis in einer Zeit
„rebellierenden Negertums der Farbe" so zärt-
lich liebt und das ihm überhaupt als das einzige
Medium erscheint, aus dem Farbigkeit im künst-
lerischen Sinne erst entstehen kann, wie ent-
faltet es einen Reichtum an Abstufungen und
Ausdruck; dieses hinsterbende Rosa, wie be-
ginnt es zu jubilieren in all seiner Innigkeit.
Dann ist Steins Malerei nicht mehr morbid und
herb verneinend, sondern sinnenfreudig in ihrer
Art und voll eigenen Lebens. Die Farbe ist
Stein das stärkste Ausdrucksmittel inneren Er-
lebens wie andern die Linie. Und wenn alle
starke Sensibilität ein Merkmal weiblicher Natur
ist, so mag man die seine als feminin bezeichnen.
Von diesem Femininen hat seine Kunst die un-

XXVI. März 1923. 2
 
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