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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Heckel, Karl: Ausdruckskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0055

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AUSDRUCKSKUNST.

VON KARL HECK EL.

Wenn ein Mensch so dichten, vertonen,
bilden könnte, wie ein Medium in der
Hypnose sich offenbart, also ohne alles Mit-
reden, Auslesen, Einordnen und Ausschalten
durch das Bewußtsein: so hätten wir in ihm das
Ideal eines Expressionisten zu erkennen, gleich-
viel in welcher Kunstweise er zu uns spräche.
Aber eine solche Möglichkeit ist für den Künst-
ler nicht in vollem Sinne gegeben. So unmittel-
bar ohne Reflexion vermag nur die Natur zu
schaffen. Bei ihr ist alles Werden stets der
Möglichkeit nach bereits im Sein eingeschlossen,
alles Blühen, Knospen, Reifen, Früchtetragen
vorherbestimmt im Samen.

Ganz ausgeschlossen ist der Expressionismus
oder die unmittelbare Ausdruckskunst — um
das Fremdwort, so gut es geht, zu verdeutschen
— beim Handwerker; denn der Handwerker
ist schon um der Wiederholungen willen an den
Begriff gebunden. Mit Recht bemerkt der
Wiener Philosoph Rudolf Kassner einmal, daß
der Handwerker ohne Begriff weder bilden,

noch handeln, noch denken kann, während im
Gegensatz dazu die Natur im eigentlichen und
tiefsten Sinne ohne Begriff schafft. „Der Künst-
ler nimmt zwischen der Natur und dem Hand-
werker eine vermittelnde Rolle, zwischen
Magie und Begriff die Mitte ein."

Am nächsten steht ohne Zweifel dem unmittel-
baren Gestalten der Natur der primitive Mensch,
der ohne künstlerische Vorbilder schafft. Er
lebt als Künstler im Paradiese. Wohl ist auch
heute noch, besonders in früher Jugend, ein
solches Schaffen möglich, wenn nicht Erlerntes,
oder, wie es wohl in der Regel der Fall ist, der
Trieb zur Nachahmung erschauter Kunstwerke
die produktiven Kräfte auslöst, sondern Erde
und Sonne, Natur und Leben unmittelbar zur
Entfaltung bringen, was sich im tiefsten Innern
als Erlebnis unerkannt gesammelt und verdichtet
hat. Wer es je an sich oder andern erfuhr, was
es heißt in diesem Sinne, unbelastet von der
Erkenntnis, vom Bewußtsein nur scheu be-
gleitet, zu dichten, zu vertonen oder zu bilden,
 
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