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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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M.: Die Kunst des Bildnisses
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0129

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AUGUSTA VON ZITZE WITZ.

GEMÄLDE »KUSDERBILDNISc

DIE KUNST DES BILDNISSES.

Es ist keine Frage, daß die Kunst des Por-
träts sich in den letzten Jahren neu belebt
hat. Was man auch mit Recht gegen das welt-
anschauliche und künstlerische Credo des Ex-
pressionismus einwenden möge: er hat min-
destens das eine Verdienst, den Menschen
wiederentdeckt und für die Malerei zurücker-
obert zu haben. Freilich hat er zugleich den
Menschen viel zu stark in das subjektive Welt-
bild des Künstlers hineingezogen und sich da-
durch alsbald wieder den Weg zu wahrer, treuer,
geistiger Menschenschilderung verbaut. Aber,
wie gesagt, das Eine ist ihm geglückt, den Men-
schen aus der Natur herauszulösen, ihn nicht
mehr als bloßen Bestandteil der Landschaft, son-
dern als selbständiges geistiges Wesen zusehen.

Es ist zu hoffen, daß eine künftige Entwick-
lung auf diesem Weg besonnener weitergehen
wird. Das große allgemeine Problem der nach-
expressionistischen Kunst besteht darin, wieder

zu einer festen, tatsächlichen Außenwelt zu ge-
langen, die nicht durch Nebelschwaden des
Subjektivismus gestört und gefälscht ist. Es
muß uns gelingen, die Welt und in ihr beson-
ders den Menschen wieder im wahrsten Sinne
ernst zu nehmen und die große Dinghaftigkeit
der Schöpfung als eine wichtige, freudige Tat-
sache zu erleben. Was die alten Menschenbild-
nisse so hoch über die unsern stellt, ist keines-
wegs die genauere, einläßlichere Mache, die
treuere Schilderung, die fleißigere Arbeit. Es
ist eine andere Weltanschauung, aus der jene
höhere Treue und jener größere Fleiß erst als
Folge hervorgehen. Alte Bildnisse glühen von
ihrem eigenen und sehr bestimmten Leben, sie
stellen selbständige Wesen und Mächte dar,
geistige und leibliche Energien. Das ergibt
sich nur aufgrund eines künstlerischen Welt-
bildes, das die volle, atemholende Herzhaftig-
keit des Daseins kennt und anerkennt. — m.
 
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