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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Ritter, Heinrich: Der Aufbruch zur Wirklichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0131

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AUGUSTA

VON
ZITZEWITZ
> BILDNIS«

DER AUFBRUCH ZUR WIRKLICHKEIT.

Jeden von uns gehen die Ereignisse im Bereich
der Kunst persönlich an. Denn was sich
draußen begibt, das begibt sich auch innen.
Was die Kunst bewegt, das wirkt auch in der
Brust jedes Einzelnen. Die Entwicklung jedes
Einzelmenschen ist eine Art verkleinerter Abriß
der Weltgeschichte. Deshalb soll der Mensch
mit Lust und Neugierde besehen, was um ihn
vorgeht, um darin wie in einem Spiegel das
Hin- und Widerfällige seines eignen inwendigen
Geschicks zu erkennen. Dafür ist besonders
das Werden in der Kunst aufschlußreich.

Kein Zweifel, daß die vornehmste Tendenz
der gegenwärtigen Stunde der Aufbruch zur
Wirklichkeit ist. Wir erleben das im Bereich
des Geistes wie im Bereich der Kunst, der Re-
ligion. Eine Abneigung gegen den Pseudo-
Idealismus, eine Abneigung gegen unziemliche
Subjektivität beherrscht alle Geister. Mit Eifer
und Nachdruck wird versucht, aus dem einge-
schlossenen Ich und aus den dämmrigen Nebel-
welten zur wirklichen Welt, zum Du zu ge-
langen. Der Impressionismus besaß ein Welt-
bild, aber es war sehr einseitig auf die Sinne

gestellt. Der Expressionismus nahm diese Auf-
spaltung der Welt an, nur mit dem Unterschied,
daß er einseitig auf dem subjektiven Beziehungs-
teil bestand und die Welt mit scharfem Ruck
ins Ich hereinzog. Was sich als Folge davon
bald einstellte, war eine grenzenlose Verarmung
seines ganzen Weltbildes, eine immer fort-
schreitende Verdünnung und Entwertung. Und
nun, nachdem dies erkannt ist, geschieht ein
abermaliger Rückschlag. Keineswegs etwa in
dem Sinne, daß auf das Weltbild des Impres-
sionismus zurückgegriffen wird; denn dieses
hatte ja seine Einseitigkeit und Bruchstückhaf-
tigkeit klar genug erwiesen. Sondern nun wird
versucht, die wahre, wirkliche Welt, die Gleich-
zeitigkeit von Ich und Du, wieder herzustellen.

Das bedeutet in der Kunst, daß der Künstler
nicht mehr monologisch mit sich selbst beschäf-
tigt bleibt. Es bedeutet auch nicht, daß er in
naturalistischer Weise sich der äußeren Welt
dahinwirft. Es bedeutet vielmehr, daß er sein
Ich nur in lebendigen Begegnungen mit dem
Nicht-Ich zu erleben strebt, daß er sein Ich wie
das entgegenstehende Es und Du, in einer neuen,
 
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