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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Bongs, Rolf: Der Maler Richard Gessner
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0215

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RICH. GESSNER—DÜSSELDORF.

» grünenbach im gewitter <

DER MALER RICHARD GESSNER.

Der Düsseldorfer Maler Richard Geßner
sucht seine Motive fast ausschließlich im
rheinisch-westfälischen Industriegebiet, und
seine Bilder zeigen durchweg Zechenanlagen,
Kokereien, große Hiittenbetriebe und Fabriken.
Sein Schaffen ist mit seiner Heimat aufs engste
verwachsen, ist streng lokal und läßt sich von
dem rheinischen Boden nicht trennen.

Was Richard Geßner auf seinen eigenen Weg
führte, war neben einer großen zeichnerischen
Veranlagung ein intensives Farbenempfinden,
unterstützt von der Innigkeit des Gefühls. Er
sucht die feinen Tonwerte, seltene Lokalfarben,
ungewöhnliche atmosphärische Zustände,Rauch,
Sonnendunst, Nebel oder den Übergang von
der Dämmerung zum künstlichen Licht, mit dem
aufgeregten Spiel der Bogenlampen. So wer-
den die Hochburgen der Industrie, die Förder-
gerüste, Schutthalden, Ruß und Dampf fast zu
mystischen und unheimlichen Visionen.

Nur in einem seiner Bilder bricht auch Lieb-
liches durch, im „Frühlingstag". Es ist fast
lyrisch. Wir sehen den Rand der Großstadt,
noch nicht freies Land und doch auch nicht
mehr nur Mauern von Mietskasernen und Fabrik-
anlagen. Die matte Frühlingssonne hat am
Spätnachmittag Arbeiter mit Frauen und Kin-

dern ins Freie gelockt; müde lagern sie auf der
spärlichen Grasnarbe zwischen Sandhaufen,
Konservenbüchsen und anderen Abfällen. Eine
schwermütige Darstellung großstädtischen Fei-
ertages. — Das stärkste unter den hier gezeigten
Bildern ist der „Feierabend". Schwacher Rauch
steigt aus den Schornsteinen, wenige Arbeiter
stehen vor dem Fabriktor, müde und breit liegen
Häuser und Halden in der späten Dämmerung.
Im Gegensatz hierzu lebt und rast in dem Bild
„Industrie am Abend" die moderne Maschinen-
technik mit all ihrer Wucht. Man hört geradezu
das Kreischen und Pfeifen der Maschinen, die
den weißen geballten Rauch in die Luft stoßen.

Eine Erinnerung an Geßners Kriegszeit bietet
sein Bild „Landschaft aus Mazedonien"; mit
charakteristischen Strichen ist der exotisch-
herbe Zauber des südlichen Landes wieder-
gegeben. Beinahe romantisch ist die südbaye-
rische Landschaft „Grönenbach im Gewitter".

Richard Geßner ist nie allegorisch oder histo-
risch; er steht bewußt in seiner Zeit und emp-
findet ihren Pulsschlag, ihren Geist. Nie lehnt er
sich an andere an, er malt, was ihn packt. Seine
Bilder spiegeln im stärksten Maße seine An-
schauungswelt wieder und zeigen zum Greifen
deutlich, was er als Künstler durchlebt, r. bongs.

XXVI. Juli 1923. 4
 
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