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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Ewald, Reinhold: Der Altar des Michael Pacher
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0225

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DER ALTAR DES MICHAEL PACHER.

VON BEINHOLD EWALD.

Man fährt von Salzburg, der mozartisch
Reinen, der Stadt des musikalischen Ba-
rock, mit der niedlichen Lokalbahn durch ein
liebliches Gefilde gegen die drohende, scharfe
hohe Wand der Tiroler Alpen, durch deren
erste schmale Schluchten unter überhängenden
Bergwänden an türkisblauen und meergrünen
Seeausschnitten sich schlängelnd, zum Wolf-
gangsee. An des Sees schönster Stelle entsteigt
die Kirche des Heiligen Wolfgang den Wassern.
Jäh, wie der Aufstieg der steilen Bergnasen,
ragt heute noch, fast unberührt, wie vor 450
Jahren, von Kindern dieser Natur geschnitzt
und gemalt, der 11 Meter hohe Altar des Michael
Pacher-Kreises in den Chor des Kirchleins.

Wenn ich es für notwendig halte, über das
große Werk des Wolfganger Altars einiges zu
schreiben, so geschieht dies aus mehr als einem
Gesichtspunkt. Am wichtigsten scheint mir
etwa folgendes: Pacher ist nicht so sehr als
individuelle Persönlichkeit, etwa wie Dürer oder

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der jüngere Holbein, begrifflich klarzulegen, zu
fassen, sondern er wirkt über das Persönlich-
Individuelle hinaus als letzte Sammlung nordi-
scher Feudalgotik, als letzter Sammelstrom
gotischer Energien. Er war der Vorstand, der
geistige Kopf einer Werkstatt, einer Bauhütte
für Plastik und Malerei, und seine suggestive
Kraft hat alle Gehilfen in diesen Feudalstrom
übergeleitet und in ihm geeint.

Und dies vollzieht sich unter unmittelbarem
Einfluß der italienischen Epoche des Mantegna;
jedoch, was das Wichtige wird, ohne jede geistige
Übernahme. Übernommene Formmittel, etwa
des Raums, der Statik, der Bewegung, der Per-
spektive, werden von seiner Gotik überwältigt,
in nordischer Form vergeistigt und von diesen
Tirolern als flammendes Symbol der Ewigkeit ge-
schenkt. Dürer dagegen hat sich etwa 50 Jahre
später dem Einfluß der Italiener unterworfen.

Mit dem Falle Pacher wird eine große Frage
aufgerollt, die mir noch ungelöst erscheint;
 
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