Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

DOI Artikel:
Niebelschütz, Ernst von: Deutsche Kunst und französische Kunst, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0247

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
professor bruno paul.

»blick in die halle«

DEUTSCHE KUNST UND FRANZÖSISCHE KUNST.

(schluss von seite 204.)

Das konservative Festhalten an der Regel,
die erlernbar und schulmäßig übertragbar
ist, hat die französische Kunst nur selten zu
Extravaganzen, an denen die deutsche so über-
reich ist, verleitet, sie freilich auch ebenso sel-
ten zu individuellen Höchstleistungen befähigt,
die das erstaunlich gute Niveau ihrer künstleri-
schen Allgemeinkultur gipfelhaft überragen. Das
Beglückende ihres Daseins beruht auf der ganz
eigenen und natürlichen Art, wie sich der aus
Geist und Blut harmonisch gemischte Rassen-
charakter der klassischen Norm, die an und für
sich eine abstrakte Größe ist, anzugleichen weiß:
als das reizbar-bewegliche Element, dem es
bisher noch immer gelungen ist, die mit jeder
akademischen Doktrin gegebene Erstarrungs-
gefahr abzuwenden und dem erkaltenden Or-
ganismus frische und überraschend produktive
Säfte zuzuführen. Nur wird der klassizistische
Grundzug des französischen Wissens, der in
Linienbestimmtheit und Formenklarheit

seinen Ausdruck findet, dadurch nur wenig,
höchstens vorübergehend, verschoben. Erbricht
immer wieder durch, zuletzt mit der aus dem
Gegenspiel des Impressionismus entstande-
nen, von Cezanne getragenen neuakademi-
schen Bewegung, die heute mit den Land-
schaften eines Andre Derain ganz unver-
kennbar den Anschluß an die große architek-
tonische Linie des Claude Lorrain sucht.

Wir sehen: es ist nicht die magisch an-
ziehende Kraft des Gleichartigen, die hier
die geistige Brücke geschlagen hat. (Man muß
sich heute schon der Vergangenheitsform be-
dienen!) Das Verbindende ergab sich vielmehr
aus der scharf umrissenen Eigentümlichkeit
jeder der beiden Rassen, einer Eigentümlichkeit,
die Ergänzung und Ausgleich gerade durch den
Gegensatz gebieterisch zu fordern scheint.
Das Schicksal will es, daß heute die Türen auf
beiden Seiten verschlossen sind. — Ob sie sich
je wieder öffnen werden? — e. v. niebelschütz.

231
 
Annotationen