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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Jaumann, Anton: Die natürliche Einheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0249

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DIE NATÜRLICHE EINHEIT.

Eingekapselt durch die sechs Wände, zu ge-
meinsamem Leben verurteilt — oder be-
gnadigt, sind die Dinge im Raum in unab-
lässiger Auseinandersetzung mit sich, den Nach-
barn und den Raum-Komponenten begriffen.
Es ist nicht möglich, eine Vase, oder überhaupt
irgend einen Gegenstand in ein Zimmer zu brin-
gen, ohne daß sofort die gesamte Belegschaft
des Raums dazu Stellung nimmt. Ein „neuer
Ton" ist zum Akkord hinzugekommen. Das
verändert unweigerlich seinen Klang, seinen
Charakter. Dem hellen Eindringling tritt das
Vorhandene mit getragener Würde entgegen,
oder auch mit gewitterdunkler Feindschaft. Es
dauert seine Zeit, bis die „Eingliederung" ge-
lingt, bis etwa der helle Gast als Oberton eines
neuen Akkordes assimiliert wird. Aber der
Wille zur Einordnung ist immer vorhanden, die
Auseinandersetzung, die niemals vollständig
zur Ruhe kommt, ist kein sinnlos-zänkischer
Streit. Oberstes Ziel bleibt stets, aus dem
bunten Vielerlei irgendwie eine Einheit herzu-
stellen. Mögen es auch Kontraste sein, die
gebunden werden sollen, Zufälligkeiten, zwi-
schen denen nachträglich eine entfernte Ver-
wandtschaft hergestellt werden soll. Der Ein-
richter macht sich die Aufgabe zu leicht, der
auf geradestem Wege der Einheit zusteuernd,
Fremdartiges, Kontraste bewußt ausscheidet,

auf einer Linie, einem Akkord die gesamte
Raum-Musik aufbaut. Eintönigkeit ist die not-
wendige Folge. Solch ein Raum erscheint tot,
gleichgültig, ob er viel oder wenig Einrichtung
enthält. Die Einheit, die durch künstliche Fern-
haltung von Dissonanzen, oder, was jetzt be-
liebtist, durch absichtliche „Leere" des Raumes
erzielt wird, hat keine Kraft, — weil sie nichts
zusammenzuhalten hat! Es gehört ein feines
Gefühl dazu, den Zug zur Einheit, der heute
im Wohnwesen so stark hervortritt, in rechter
Weise zu nützen!.. Die aufgeteilte Beleuchtung
ist von der schweren Krone wieder aufgesogen.
Der große Schrank, das breite Büfett herrschen.
Der Architekt sieht oft seine wesentlichste Auf-
gabe darin, alles „Überflüssige" aus dem Raum
zu entfernen, damit der „Raum an sich" zur
Geltung kommt. Möglich, daß dann in dem
„Weniger" ein viel größerer Reichtum an for-
malen und räumlichen Beziehungen zutage tritt,
als sich in der Überfüllung auswirken konnte.
Aber oft ist das Resultat eben nichts als „Leere".

Der Könner wird mit leichter Hand alles,
was in den Wohnraum gehört, — was durch den
Nutz-Zweck, durch Material oder durch die
Liebe der Bewohner Beziehungen und eine Spur
Blutsverwandtschaft erhalten hat, zur natür-
lichen Einheit zu verschmelzen suchen, sei's
auch die „Einheit der Kontrolle"! jaumann.

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