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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Geron, Heinrich: Mein Arbeitszimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0257

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MEIN ARBEITSZIMMER.

Man muß vor allem klar sein, daß man nur
sein eigenes und nicht „jedermanns"
Arbeitszimmer einrichten kann.. Der Raum,
den ich mir denke, ist geräumig, hoch und hell.
Er enthält an Möbeln nur, was ich notwendig
brauche, um heimisch zu sein, ich will nichts
entbehren, ich will kein überflüssiges Stück.
Meine Bücherei unterzubringen, brauche ich
Gestelle: einfache gradlinige Schränke aus dunk-
lem Holz. Außerdem brauche ich zu jedem
Schrank ein kleines Tischchen, es muß durch-
aus beweglich sein, es dient mir zur Ablage von
Büchern, manchmal pflege ich es an den Schreib-
tisch zu rücken, dann liegen Nachschlagwerke
darauf, auch benütze ich es als stummmen Die-
ner, der mir den leichten Imbiß freundlich ge-
deckt anbietet, gelegentlich auch als Rauchtisch.
Der Schreibtisch ist breit und massiv, er steht
mitten im Zimmer, frontal gegen das Fenster.
Ich liebe es, ins Freie, in den Garten zu sehn,
wenn ich von der Arbeit aufblicke. . In Bezug
auf Beleuchtung gestehe ich, anspruchsvoll zu
sein. Von der Mitte der Decke hängt die große
Lampe, ihr Licht blüht, sie badet das Zimmer
in Licht. Am Schreibtisch steht die elektrische
Stehlampe. Aber ich habe meine Spezialitäten.
Es gibt Abende, da brauche ich eine gewisse
Feierlichkeit zum Lesen oder Arbeiten, dann
liebe ich die schöne Milde von Kerzenschein
und den Duft von Wachs. Und dann gibt es
Gelegenheiten, daß es mir auf einmal zu still
wird. Dafür habe ich eine alte Petroleumlampe
aus Alabaster, sie hat eine klare, edle Form, ihr
Licht quillt rötlich und beim Brennen summt
sie leis und traulich; dies Summen versetzt mich
in eine geheime innere Musikalität, manchmal
fällt mir ein, daß die summenden Bienen so
fleißig sind. Am Schreibtisch habe ich einen
lederbezogenen Sessel stehn, er stammt noch
aus Großvaters Zeiten. Er ist das sachlichste
und dabei bequemste Sitzmöbel, das ich kenne.
Er hat breite, genau ellenbogenhohe Armlehnen,
und eine prächtige tiefe Rückenlehne mit großen,
behaglichen Ohren. Sonst habe ich keine Sitz-
möbel im Raum, sie stören mich beim Hin- und
Hergehen, ich liebe es sehr, meinen Rundgang
im Zimmer zu machen, schon Georg Christoph
Lichtenberg hat es bemerkt, daß man manche

Gedanken nur im Gehen denken kann, und auch
die modernen Psychologen sind nicht ganz einig
über die Parallelität geistiger und körperlicher
Bewegungsvorgänge und ihrer gegenseitigen
Beeinflussungskraft. Nur zwei kleine einfache
Holzhocker sind noch da, sie dienen den kleinen
Tischchen als Handlanger und Gehilfen und
rauben keinen Platz, Wenn ich ausnahmsweise
im Arbeitszimmer Besuch empfange, muß er auf
dem Divan Platz nehmen. Der Divan nimmt mir
eine ganze Ecke weg, aber ich muß ihn haben,
um liegend lesen und arbeiten zu können. Über
dem Divan hängt ein Wandteppich, ein schlich-
tes, kaum arabeskes Gerank. Gewebe stimmen
fleißig. Der Boden ist mit weichem Wollteppich
belegt, er bringt einen warmen goldbraunen
Ton ins Zimmer. Die Decke ist weiß und hält
das Licht. Die Tapete ist von einem saftigen,
ganz beruhigenden Mittelgrün. Neben dem
Divan habe ich eine alte einfache Truhe stehen,
die mir zur Aufbewahrung dient für Papier. Der
Deckel der Truhe dient mir als Hilfs-Tisch. In
der andern Zimmerecke habe ich meinen Steh-
pult, er ist zugleich Hilfsschrank und bewahrt
vieles leicht Greifbare auf. Über dem Pult hängt
der einzige Bildschmuck des Zimmers, ein
schöner alter Kupferstich, eine Landschaft dar-
stellend. Die vielen bunten, musizierenden
Bücherrücken mit den tanzenden Goldbuch-
staben bringen eine schöne Farben-Fröhlichkeit
in das Zimmer. An Schmuck ist noch eine
kleine Holzplastik, eine gotische Pieta, da, sie
hat auf der Truhe ihren Platz. Auf dem Schreib-
pult steht ein Blumenglas. Lebende Wesen im
Arbeitszimmer dulde ich außer mir ungern. Ich
habe trotzdem ein kleines Aquarium mit zwei
winzigen Stichlingen und überalgtem Löffelkraut
am Fenstersims stehen. Mindestens einePflanze,
finde ich, gehört ins Arbeitszimmer, ihr stilles,
geheimes Wachstum ist ein gutes Symbol. Ich
habe mir eine Mamillaria, meine Lieblings-
kaktee, dazu erwählt. . . .

Kurz: persönliches Gepräge ist das We-
sentliche für solch einen Raum. Stimmung und
Atmosphäre muß er als erste Eigenschaft haben:
denn er ist in meiner Wohnung mein eigenstes,
persönlichstes Reich, der Raum meiner Ar-
beitsseligkeiten und der Inspiration, h. geron.
 
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