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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0338
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Was ist der Künstler? — Der Entdecker
einer neuen Art von Wirklichkeit.
Was ist der Zweck der Kunst? — Ihr Zweck
ist ihr Dasein; Sinn dieses Daseins: Freude.

Was ist schön? — Das Anmutige und das
Wilde, das Große und Kleine, das Rechte und
Linke, der Himmel und die Erde, das Leben
und der Tod.

Was heißt Kunstgenuß? — Ein Kunstwerk
ernst nehmen, es anschauen, durchschauen, an-
hören, belauschen, in sich ziehen und schließ-
lich in ihm die Welt, die Natur und alle Ge-
schöpfe lieben, sogar sich selbst.

Was ist ein gebildeter Geschmack? — Der-
jenige, der rasch und sicher das Wesentliche
des Kunstwerks erkennt und klare, sinnvolle
Neigungen und Abneigungen bekundet.

Woher das Sprichwort „Die Kunst geht nach
Brot" ? — Daß der Schuster nach Brot geht,
ist selbstverständlich; daß die Kunst es tut,
muß eigens ausgesprochen werden, denn es
ist ihrem innern Sinn widersprechend.

Ist Kunst eine Lebensnotwendigkeit? —
Denke Dir aus dem Leben des modernen Men-

schen alles fort, was zur Kunst gehört. Was
bleibt? Ein trauriges lichtloses Gefängnis.

Was heißt „Freiheit der Kunst"? — Frei ist
die Kunst, wenn sie die Möglichkeit hat, nur
ihrem eignen Gesetz Untertan zu sein.

Soll die Kunst den Menschen „erheben"? —
Ja, aber nicht von der Wirklichkeit zum Schein,
sondern vom Schein zur Wirklichkeit.

Welche Kunst ist die „wahre"? — Jede, die
Dir das Glück des reinen Schauens schenkt.
Aber vergiß nicht, daß am höchsten die Meister
stehen, die das Innerliche und Äußerliche zur
objektiven Welt und Gestalt emporschaffen.

Was ist der „künstlerische Mensch"? — Der
spezifisch lebendige Mensch im Gegensatz
zum stumpfen und toten.

Was bedeutet „volkstümliche" Kunst? —
Dreierlei, das sehr verschieden ist: Kunst, die
vom Volk hervorgebracht wird; Kunst, die von
den tiefsten, breitesten Volkskräften lebt;
Kunst, die vom Volk verstanden und geliebt
wird. Jeder, der von volkstümlicher Kunst
redet, gebe sich genaue Rechenschaft, welche
von den drei Bedeutungen er im Auge hat.

HANS LASSER MÜNCHEN. »BADENDEc

AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER NEUEN SECESSION 1923.
 
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