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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Ruppel, Karl H.: Auferstehung des Stillebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0375

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MARIE
LAUKENCIN.
»AM FENSTER«
1 9 2 0.

AUFERSTEHUNG DES STILLEBENS.

Zu jeder Zeit ist das Stilleben ein vor allem
malerisches Problem gewesen. Es steht
als solches im schärfsten Gegensatz zum Por-
trät, das vor allem ein Ausdrucksproblem
ist. Beim Stilleben kommt es nicht darauf an,
einen Gehalt zu malen, d. h. Ausdruckswerte
zu vermitteln wie beim Porträt, sondern der
Sinn des Stillebens liegt in seinen formalen
Werten. Überblickt man die Geschichte des
Stillebens, so wird man erkennen, daß der
Akzent bald auf der kompositorischen, bald
auf der koloristischen Seite sitzt, je nach den
für die Kunstgesinnung einer Epoche ausschlag-
gebenden Momenten. Die antiken Stilleben
etwa, die man als Wandfresken in Pompeji ge-
funden hat, gehen trotz ihrer oft impressioni-
stisch freien Maltechnik deutlich auf die Ver-
mittlung von Raumwerten aus. Das holländische
Stilleben des ausgehenden 16. und vornehmlich
des 17. Jahrhunderts hat dagegen seinen unge-

meinen, festlich-sinnlichen Reiz in der üppigen,
pompösen Pracht der Farbe, der Leuchtkraft
des Kolorits. Die französischen Impressionisten
haben, die Tradition der niederländischen Ba-
rockmeister durch Vermittlung des 18. Jahr-
hunderts fortsetzend, das Stilleben als ein ma-
lerisches Hauptproblem wieder aufgegriffen;
Renoir hat in unzähligen seiner Bilder, auch
wenn ihr Hauptgegenstand ein anderer war,
stillebenartige Blumengruppen, Tischgedecke,
Obstgruppierungen. Zum Kardinalproblem aber
wurde das Stilleben für Cezanne und von ihm
datiert die Auferstehung des Stillebens, das,
durch den Expressionismus für kurze Zeit ver-
drängt, heute im Zentralpunkt der Malerei steht.

Cezanne war der erste, der das durch ein
ausschließlich koloristisches Interesse in seiner
Form nahezu desorganisierte Stilleben wieder
als kompositorisches Problem erkannte. Er war
der erste, der die raumschaffenden Kräfte in

XXVIII. September 1925. 4
 
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