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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Ritter, Heinrich: Die kleinen Dinge im Raum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0419

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gustav OPl'el— dresden.

»putten» rosenthal-porzellan

DIE KLEINEN DINGE IM RAUM.

Welches ist die Rolle der kleinen Dinge
im Raum? Weshalb sorgt wohl auch
fast jeder Mensch für das Auftreten der Klein-
kunst in seiner Wohnung?

Nun, die Möbel in einem Zimmer besorgen
die groß e Gliederung. Sie gehören dem Raum-
bild an, sie betonen es (wenigstens sollen sie
das tun), sodaß es in seiner architektonischen
Eigenart und Lebendigkeit bewußt wird.

Die kleinen Dinge aber, die Porzellane, Bron-
zen, Steine auf Schreib- und Ziertisch, in der
Vitrine oder auf dem Kaminsims bringen die
Gliederung im Kleinen. Sie modellieren die
große Form ins Feinere, sie bieten die Anhaf-
tuüg für das bestimmtere Interesse, für das Ge-
müt, für die wechselnden Pas sionen. D er Raum
als Ganzes genügt der gleichsam landschaft-
lichen Einstellung des Blickes. Die kleinen
Dinge aber entsprechen dem Bedürfnis nach
fixiertem Wahrnehmen. Sie beschäftigen das
Auge in ganz anderer Weise als das Raumganze,
und gerade deshalb sind sie nicht ein Überfluß,
sondern eine wirkliche Ergänzung und Vervoll-
ständigung des Zimmers. Die kleinen Dinge im
Raum geben die Glanzlichter des Ganzen, die
blitzenden Akzente. Sie bringen das Interes-
sante, das Prickelnde, das Sprechende und
Witzige. Sie wirken wie Lieder, die in eine
Erzählung, wie Anekdoten, die ins Gespräch
eingestreut sind. Sie bringen das Schöne in

handlicher, leicht faßbarer Gestalt an uns heran.
Sie schieben in die Raumwelt eine Anzahl von
Miniatur-Welten ein, jede für sich kristallisch
und abgeschlossen und deshalb fähig, ein be-
stimmtes, klares Erlebnis herzugeben. Sie mi-
schen ihre zarteren Stimmen in die Melodie
des Raumes und geben ihr Fülle und Glanz.

Sie beschäftigen den Besucher von verschie-
denen S eiten her. Sie regen nicht nur den Schön-
heitssinn an, sie beschäftigen auch den Ver-
stand und das Gemüt, sei es, daß kulturge-
schichtliche oder familiengeschichtliche Erin-
nerungen an ihnen hängen, sei es, daß über
Herkunft und Herstellung Bemerkenswertes zu
sagen ist, sei es, daß sie in fremde Länder oder
eine sonstwie fesselnde Welt hinüberdeuten.
Sie sind vielartig nach Material und Bearbei-
tungsweise und vielartig nach den Begleitvor-
stellungen, die an ihnen haften. Gerade diese
kleinen Dinge nehmen ja so gerne Seelenhaftes
oder Gedächtnishaftes an. Sie haben eine große
Bereitschaft, Liebe zu empfangen oder zu geben.
Oft sind sie als Geschenke ins Haus gewandert,
und daher liegt auf ihnen der Abglanz einer
geliebten Existenz oder einer schönen Stunde.
Hat sie der Besitzer selbst erworben, so hat er
es fast immer getan in einem Augenblick, wo
er von dem Reiz des Gegenstandes lebhaft er-
griffen war; und dieses Erlebnis bleibt mit dem
Gegenstand dauernd verbunden.......h. r.

XXVIII. September 1925. «
 
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