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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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P., O.: Landschaft und Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0079

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RENEF. SINTENIS—BERLIN

< SCHI.AKF.XDES ZKIir-KAI.il 1U24.

LANDSCHAFT UND ARCHITEKTUR.

Der Sinn für die Beziehung von Landschaft
und Architektur ist gar nicht zu allen Zei-
ten gleich stark ausgeprägt gewesen. Seit Hellas
Zeiten, da der Monumentalbau gleichsam aus
der Landschaft selbst heraustrieb, der gelbe
Marmortempel auf den (damals) grünen Hügeln,
hat er sich eher zurückentwickelt, jedenfalls
nicht so allgemein mehr wie damals entfaltet.
Die Ausschließlichkeit des Bauens in Städten
(auch der Monumentalbauten) hat die freie Be-
ziehung stark beeinträchtigt. Und gar das Mittel-
alter schloß alles Landschaftliche als „Natur"
nach Möglichkeit aus seinem Kunstschaffen aus.
Eine Anlage wie der Limburger Dom ist eine
Ausnahme, besser; er ist plötzliches Aktivwer-
den eines in die Latenz zurückgedrängten Trie-
bes, der verhalten in allen großen Dombauten
schwang. Erst das Barock hat ihn dann wieder
frei und monumental entfaltet. Die Romantik
sentimentalisierte ihn. Und so ist es eigentlich
bis heute geblieben. Denn eine wirklich groß-
zügige Beziehung zwischen Landschaft und Ar-
chitektur ist heute doch mehr Wunsch als Er-
füllung. Und was an neuen Bestrebungen hier
auftritt, scheint mehr aus dem Gesetz des Gegen-
satzes wirken zu müssen — und zu wollen:
Industriearchitektur und Gelände.

Da steht man vor einem ganz neuen Problem.
Und man wird es einmal in aller Ausführlich-
keit zu behandeln haben. Vorerst aber muß die
allgemeine Lage etwas bewußt gemacht werden.
Was hier nur in Andeutungen geschehen kann.

Zunächst von Unterbeziehungen: diejenigen
zwischen Landschaft und Stadt. Sie sind ab-
hängig von den großen Formen allgemeiner
Landschaftsstruktur. Als solche wirken sie zu-
nächst ganz äußerlich, zwecklich auf die Stadt-

gestaltung ein. Talmulden, Hänge, der Strom
u. a. Aber auch in einem ganz inneren Sinne
werden sie Ausdruck. Die feinen Bewegungs-
züge, die manche Stadt aufweist, lassen sich oft
aus dem Bewegungsleben der Landschaft drau-
ßen erklären, das unbewußt in die Gestaltung
der Stadtanlage eingegangen ist. Da ließe sich
allerorten manches interessante Beispiel auf-
weisen: vom Schwung der Straßen, von der
Lage der Plätze usw.

Aber die feinsten Beziehungen spielen doch
erst zwischen Landschaft und dem Architektur-
werk im engeren Sinne. Da kommen keine vom
Zweck diktierten Interessen mehr hinzu, wie
sie bei der Stadtanlage doch immer noch mit-
sprechen. Eindrücke der Landschaft setzen sich
direkt um in künstlerisches Bewußtsein und
schaffen da ihre Formen. Das Auge, das sich
an der Landschaft geschult hat, das draußen
seine grundlegenden Eindrücke empfangen hat,
sucht diese Eindrücke nun in der bildenden
Kunst der Architektur von neuem durchzuleben.
Und so entsteht dieser geheime Bezug zwischen
Architektur und Landschaft im Leben der Klein-
form, der einheitschaffend zwischen Draußen
und Drinnen spielt.

Das darf man sich nun aber nicht so grob
äußerlich vorstellen, als ob der Baumeister bei
der Erfindung seiner Formen sich bemühte, das
was er draußen gesehen hat, getreulich nachzu-
bilden. Das alte „Nachahmungsmärchen", das
in mancher Kunstanschauung immer noch spukt,
wird in der Architektur ganz besonders lächer-
lich. Um Nachahmung handelt es sich nirgends
in der Kunst und in der Architektur schon gar
nicht. Es handelt sich um den Ausdruck einer
gleichen Stimmung. Und der wird meist durch

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